Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(16): 1030
DOI: 10.1055/s-2005-866786
Leserbriefe

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Antibiotikaanwendung in Deutschland im europäischen Vergleich - Erwiderung

Zum Beitrag aus DMW 38/2004W. V. Kern
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Publication Date:
26 April 2005 (online)

Die Kommentatoren unseres Beitrags [1] haben Recht! Unsere Vermutung ist Vermutung, Spekulation. Es ist auch vollkommen richtig, dass der in den neuen Bundesländern beobachtbare niedrige Verbrauch durch bessere Aus-, Weiter- und Fortbildung im Antibiotikamanagement erklärt werden könnte und dies als Hypothese im Artikel auch hätte formuliert werden können, aber in erster Linie aus Platzgründen unterlassen wurde. Es bleibt aber auch außerhalb der neuen Bundesländer ein ungewöhnliches innerdeutsches Gefälle (z. B. Saarland als Hochverbraucherregion, Südbaden als Niedrigverbraucherregion), was nicht erklärt ist, wo die Hypothese einer unterschiedlichen Aus- und Weiterbildung allerdings auch nicht gut greift.

Saarländische Ärzte wehren sich gegen den Vorwurf, inadäquat mehr Antibiotika einzusetzen als ihre Kollegen im Osten oder Süden der Republik. Dürfen wir aus den bisherigen Daten einen solchen Vorwurf ableiten? Eine Hypothese oder Spekulation ist es nun einmal, dass dort die Infektionsbehandlung wegen Resistenzentwicklung, z. B. durch Ausbreitung resistenter Stämme aus Frankreich problematischer geworden ist; eine andere (im Artikel ebenfalls nicht genannte) Hypothese ist, dass die saarländischen und pfälzischen Ärzte der französischen „Verschreibungskultur“ näher sind, eine weitere, dass der Krankenstand - insbesondere bezüglich COPD bei den vielen früher in der Montanindustrie arbeitenden Menschen - im Saarland ein wichtiger Faktor für die höhere Antibiotikaverschreibungsdichte ist.

In der Tat haben wir relativ gute Daten über hohe Resistenzraten bei Pneumokokken beispielsweise in Frankreich und im französischsprachigen Teil Belgiens und wissen, dass gerade im Saarland und in der Region Trier die Grenzen sehr viel „offener“ sind als hier in Südbaden. Es gibt weniger zuverlässige und repräsentative Daten aus Tschechien und Polen; es scheint, dass die Penicillinresistenz von Pneumokokken in Polen deutlich niedriger ist als in Frankreich, jedoch etwas höher als in Deutschland, die Makrolidresistenz ähnlich derjenigen in Deutschland ist, vor allem aber die Doxycyclinresistenz (was aber gerade im Osten Deutschlands sehr selten verwendet wird) deutlich höher ist als in Deutschland.

Man muss berücksichtigen, dass in den neuen Bundesländern - relativ betrachtet - sehr viele Makrolide eingesetzt werden, d. h. der relativ niedrige Antibiotikaverbrauch relativ „selektiv“ ist. Nach Daten aus dem deutschen Referenzzentrum für Streptokokken in Aachen lässt sich vermuten, dass die Rate Penicillin-minderempfindlicher Pneumokokken im Saarland höher ist als in vielen sonstigen Regionen, die Makrolidresistenz ebenso; in Sachsen und Sachsen-Anhalt scheint die Makrolidresistenz von Pneumokokken aber ebenfalls eher erhöht. Die Zahl der getesteten Isolate ist allerdings klein.

Alle Hypothesen sind daher ungeprüft, der Zusammenhang zwischen Aus- und Weiterbildung, Antibiotikaverbrauch und bakterieller Resistenz bleibt ein Feld wichtiger, jedoch unbeantworteter Fragen.

Literatur

  • 1 de With K. et al . Antibiotikaanwendung in Deutschland im europäischen Vergleich.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  130 1987-1992

Prof. Dr. Winfried V. Kern

Innere Medizin II/Infektiologie, Medizinische Universitätsklinik

Hugstetter Straße 55

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