PiD - Psychotherapie im Dialog 2005; 6(2): 232-234
DOI: 10.1055/s-2005-866864
Im Dialog
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„Da steckste nicht drin …”

Vom narrativen Kitt der (Seelen)Klempnerin[1] Christian  Hawellek
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Publication Date:
23 May 2005 (online)

Die nachfolgende Schrift befasst sich mit Seelen und Klempnern sowie mit ihrer Mischform, den volksmündlich so genannten „Seelenklempnern”, auch Psychotherapeutinnen genannt. Die Psychotherapie wird seit jeher als „Redekur” verstanden, heute namentlich von Vertretern, die sich gerne „systemisch” nennen, und zwar nicht erst seit den „narrativen Modellen” der systemischen Therapie (vgl. v. Schlippe u. Schweitzer 1996, S. 24).

Wer einen Blick über den Tellerrand der eigenen Profession hinaus wagt und auf andere Berufszweige schaut, die sich ebenfalls mit der Verbesserung von Zuständen beschäftigen, kann bisweilen erstaunliche Entdeckungen machen. Wenn z. B. nicht Seelen, sondern Waschmaschinen Probleme bereiten, benötigt man einen echten Klempner. In einer solchen Situation befand ich mich vor einiger Zeit. Ich bat einen Klempner, einen Mann, der mir langjährig vertraut war und schon vieles für mich repariert hatte, um professionellen Beistand. Nach dem Kontakt mit ihm fühlte ich mich wie nach einer Therapiestunde. Dieses Gefühl ließ mich etwas ausgiebiger darüber nachdenken, was sich zwischen dem Klempner und mir abgespielt hatte. Der Zustand einer defekten Waschmaschine kann durchaus auch seelische Begleiterscheinungen hervorrufen, wie jeder weiß, der schon einmal außerplanmäßig stundenlang mit der Beseitigung von Wasserschäden beschäftigt war. Mir wurde klar, dass dieser Mann zwar eine technische Tätigkeit verrichtete, zugleich aber auf ein Repertoire von Verhaltensweisen zurückgriff, das zeigte, dass er es häufig mit Menschen zu tun bekommt, die emotional labilisiert sind. Durch seine langjährige Praxis hat er so im Laufe der Jahre eine Kunst des Kommentierens entwickelt, die mich in ihm fast einen entfernten Kollegen sehen ließ: Wie in der Beratungs- oder Therapiearbeit muss er zunächst einen Anschluss (Joining) an die Menschen mit der defekten Maschine finden. Er findet dabei in der Regel einen Weg, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen und so zu sprechen, dass die Betroffenen Hoffnung entwickeln: Nach Goolishian ist Psychotherapie bekanntlich die Kunst, Geschichten zu erzählen, die Hoffnung machen. Dabei benutzt er eine Art „narratives Universalmittel”, man könnte auch sagen einen „narrativen Kitt”, der ihm hoch anschlussfähige Kommentare auch in vertrackten Situationen ermöglicht. Sie sind flexibel verwendbare Versatzstücke, mit denen man so manche Krise auch in therapeutischen Gesprächen meistern kann. Ich werde im Folgenden einige dieser Universalfloskeln darstellen und ihren therapeutischen Gehalt herausarbeiten. Alle dargestellten Interventionen sind affirmativ und haben den Sinn, das „Joining”, den Anschluss an die KlientIn zu erleichtern und ihm/ihr so das Gefühl zu geben, dass er/sie verstanden wird und die TherapeutIn an ihrer Seite steht und zugleich einen „professionellen” Blick auf das Geschehen wirft.

1 Um die Ausgewogenheit des Sprachstils zu wahren, wird abwechselnd die weibliche und die männliche Form gewählt.

Literatur

  • 1 Berger P L, Luckmann T. Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Stuttgart; 1972
  • 2 Boscolo L, Cecchin G, Hoffman L, Penn P. Familientherapie - Systemtherapie. Das Mailänder Modell. Dortmund; Modernes Lernen 1988
  • 3 Luhmann N. Soziale Systeme. Frankfurt; Suhrkamp 1984
  • 4 Schlippe A von, Schweitzer J. Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung. Göttingen; Vandenhoeck & Ruprecht 1996

1 Um die Ausgewogenheit des Sprachstils zu wahren, wird abwechselnd die weibliche und die männliche Form gewählt.

Korrespondenzadresse:

Dr. Christian Hawellek

v. Frydagstraße 16

49377 Vechta

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