Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(1/2): 42
DOI: 10.1055/s-2006-924921
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bedeutung der Nierenbiopsie für die Nephrologie

Zum Beitrag aus DMW 36/2005R. LieblT. Leingärtner
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 December 2005 (online)

In dem ausführlichen Artikel von Grabensee über die Bedeutung der Nierenbiopsie für die Nephrologie [4] wird der Eindruck erweckt, dass eine Nierenbiopsie nur stationär durchgeführt werden könne, weil in einer Nachbeobachtungszeit von 8 Stunden nur 67 % der Komplikationen erfasst würden [13].

In einer Serie von 394 Nierenbiopsien aus Chicago kam es bei jeweils 26 Patienten (6,6 %) zu leichteren (Makrohämaturie oder perirenales Hämatom) oder schwereren (Transfusion, Operation, Sepsis) Komplikationen. Dabei fielen tatsächlich nur 46 % der schweren Komplikationen innerhalb von 4 Stunden, 79 % innerhalb von 8 Stunden und 100 % innerhalb von 12 Stunden auf. Auffällig bei dieser Untersuchung ist allerdings, dass der Zeitpunkt des Auftretens der Komplikation als Absinken des Hb oder von Flankenschmerzen definiert wurde; eine Ultraschalluntersuchung nach Punktion gehörte nicht zum Nachsorgeprogramm [8]. Benutzt wurde zudem eine 14-G-Nadel mit stärkerem 2 mm Innendurchmesser.

Fraser und Fairley aus Melbourne publizierten die Daten von 350 Nierenpunktionen, davon 232 stationär und 118 ambulant [3]. Bei den 118 Patienten mit ambulanter Biopsie kam es in jeweils einem Fall zu Flankenschmerzen und zur Makrohämaturie. Die Autoren plädieren deshalb für die ambulante Durchführung der Nierenbiopsie, die sich auch in anderen Ländern bewährt hat [6] [9].

Eine ambulante Nierenbiopsie wurde auch bei 75 Patienten aus Toronto durchgeführt. Die Nachbeobachtung erfolgte über mindestens 4 Stunden, dann wurde eine sonographische Kontrolle veranlasst. 67 Patienten (89 %) wurden dann mit der Maßgabe entlassen, zu Hause noch 24 Stunden zu liegen. 8 Patienten wurden wegen Blutungsverdacht länger beobachtet. Bei 2 Patienten war eine Bluttransfusionen notwendig, 1 Patient hatte eine Nierenembolisation [7].

Renner berichtet über eine einzige unstillbare Blutung mit notwendiger Nephrektomie in 30 Jahren mit 2500 Biopsien und die Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention in 0,5 % [10]. Bei 1090 Nierenbiopsien in Heidelberg und Karlsruhe kam es nur in 2,2 % zu einem Hämatom > 2 × 2 cm und in 0,8 % zur selbstlimitierten Makrohämaturie. In nur 3/1090 Biopsien war eine Bluttransfusion notwendig [5]. Verwendet wurden 18-G-Nadeln.

In einer Serie von 761 Nierenbiopsien kam es nur in 5 Fällen (0,66 %) zu Komplikationen (3 perirenale Hämatome, eine AV-Fistel, eine Blasentamponade) [1] [2].

Bei der Analyse von 750 Nierenbiopsien in Chicago zwischen 1983 und 2002 zeigte sich, dass bei Patienten mit einem Serum-Kreatinin über 5 mg/dl das Komplikations-Risiko 2,3 × so hoch ist [13].

Angesichts dieser Daten erscheint es nicht gerechtfertigt, Nierenbiopsien ausschließlich unter stationären Bedingungen durchzuführen. Aus medizinischen Gründen ist die ambulante Nierenbiopsie möglich und aus Kostengründen sinnvoll.

Deshalb sollte die ambulante Durchführung einer notwendigen Nierenbiopsie nach Aufklärung über die Komplikationsmöglichkeiten allen kooperativen Patienten angeboten werden. Für die Punktion sollten 18-G-Nadeln (Innendurchmesser 1,2 mm) bevorzugt werden, da mit den stärkeren 14-G-Nadeln (2 mm Innendurchmesser) mehr Blutungskomplikationen zu erwarten sind [6]. Bei Durchsicht der Literatur scheint die Nadelstärke mit ein entscheidendes Kriterium für die Häufigkeit von Komplikationen zu sein.

Bei ambulanter Durchführung der Nierenbiopsie sollte die Überwachungszeit 4 - 6 Stunden nicht unterschreiten [6] [7], teilweise werden auch 8 Stunden empfohlen [12]. Eine anschließende Ultraschallkontrolle ist obligat.

Die stationäre Durchführung ist natürlich dann notwendig, wenn Komplikationen von vorneherein zu befürchten sind, wie z. B. bei Patienten mit schlecht einstellbarem Hochdruck, stark eingeschränkter Nierenfunktion oder Gerinnungsstörungen.

Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Vergütung der Nierenbiopsie nach EBM wenig Anreize für den niedergelassenen Nephrologen bietet, diese verantwortungsvolle Maßnahme ambulant anzubieten.

Literatur

  • 1 Bach D, Wirth C, Klein B, Hollenbeck M, Grabensee B. Perkutane Nierenbiopsie.  Nieren und Hochdruckkr. 1998;  27 355-360
  • 2 Bach D, Wirth C, Schott G, Hollenbeck M, Grabensee B. Percutaneous renal biopsy: Three years of experience with the biopty gun in 761 cases - A survey of results and complications.  Int Urol Nephrol. 1999;  31 15-22
  • 3 Fraser I R, Fairley K F. Renal biopsy as an outpatient procedure.  Am J Kidney Dis. 1995;  25 876-878
  • 4 Grabensee B. Bedeutung der Nierenbiopsie für die Nephrologie.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 2012-2016
  • 5 Hergesell O, Felten H, Andrassy K, Kühn K, Ritz E. Safety of ultrasound-guided percutaneous renal biopsy - retrospective analysis of 1090 consecutive cases.  Nephrol Dialysis Transplant. 1998;  13 975-977
  • 6 Korbet S M. Percutaneous renal biopsy.  Seminars in Nephrology. 2002;  22 254-267
  • 7 Jassal V, Mucsi I, Mustafa S, Uldall P R. Renal biopsy - A safe and easy day care procedure.  J Am Soc Nephrol. 1995;  6 392
  • 8 Marwah D S, Korbet S M. Timing of complications in percutaneous renal biopsy: What is the optimal period of observation?.  Am J Kidney Dis. 1996;  28 47-52
  • 9 Oviasu E, Ugbodaga P. Day case renal biopsy - experience from Benin, Nigeria. EDTA Congress Abstr. XXXIIIrd 1996
  • 10 Renner E. Nierenbiopsie - Indikation und Aussagekraft.  Dt Ärztebl. 1991;  88 B-1061-6
  • 11 Stiles K P, Yuan C M, Chung E M, Lyon R D, Lane J D, Abott K C. Renal biopsy in high-risk patients with medical diseases of the kidney.  Am J Kidney Dis. 2000;  36 419-433
  • 12 Thut M P, Uehlinger D, Steiger J, Mihatsch M J. Die Nierenbiopsie - ein unverzichtbares Routineverfahren der modernen Nephrologie.  Ther Umsch. 2002;  59 110-116
  • 13 Whittier W L, Korbet S M. Timing of complications in percutaneous renal biopsy.  J Am Soc Nephrol. 2004;  15 142-147

Dr. Robert Liebl
Dr. Tobias Leingärtner

Internistisch-nephrologische Gemeinschaftspraxis, KfH-Nierenzentrum

Günzstraße 4

93059 Regensburg

    >