Ultraschall Med 2006; 27(4): 321-323
DOI: 10.1055/s-2006-926975
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Ultraschallsimulator - eine ideale Ergänzung zur Erlernung der fetalen Fehlbildungsdiagnostik oder eine Illusion?

Ultrasound Simulator - an Ideal Supplemental Tool for Mastering the Diagnostics of Fetal Malformations or an Illusion?E. Merz
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 August 2006 (online)

deutsch

Die Ergebnisqualität einer Ultraschalluntersuchung ist von der Güte des Ultraschallgerätes, den Schallbedingungen und der Qualifikation des Untersuchers abhängig. Bei der fetalen Fehlbildungsdiagnostik hat jedoch die Untersucherqualifikation eine besondere Bedeutung. Fetale Fehlbildungen treten mit einer extrem unterschiedlichen Inzidenz auf. So finden sich Fehlbildungen, die mit einer Häufigkeit von 1:200 Geburten (z. B. Herzfehler [1]) relativ häufig zu sehen sind, während andere mit einer Häufigkeit von 1:200 000 bis 1:400 000 Geburten (z. B. OEIS-Komplex [2]) extrem selten auftreten. Bei einer Fehlbildungsinzidenz von 1 auf 200 000 Geburten hat ein niedergelassener Gynäkologe, der ca. 100 Schwangerschaften pro Jahr betreut, praktisch keine Chance, mit einer solchen Fehlbildung jemals konfrontiert zu werden, geschweige denn, sie zu erkennen.

Eine qualifizierte Fehlbildungsdiagnostik lässt sich deshalb nur durch Konzentrierung auffälliger Befunde in speziell ausgerichteten Pränatalzentren/-praxen und durch intensive Ausbildung der Untersucher erzielen. Voraussetzung für eine Konzentration ist jedoch, dass im Ultraschallscreening Auffälligkeiten erkannt werden, die dann wiederum zur Weiterleitung der Schwangeren an ein Pränatalzentrum führen.

Die Konzentration von fetalen Fehlbildungen in entsprechende Zentren wurde in Deutschland durch die Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) durch die konsequente Umsetzung des 3-Stufen-Konzeptes [3] innerhalb der letzten 25 Jahre bewirkt. Zudem wurden in der DEGUM Stufe II innerhalb der letzten 4 Jahre die Qualitätsanforderungen deutlich angehoben. Dies erfolgte zum einen durch die Einführung einer Prüfung im Jahr 2002 und zum anderen durch eine Erweiterung der Qualitätsanforderungen für die weiterführende differenzialdiagnostische sonographische Untersuchung im II. Trimenon [4] und für die weiterführende sonographische Untersuchung im I. Trimenon [5]. Auch für die Stufe I wurden kürzlich erweiterte Mindestanforderungen für die Ultraschalluntersuchung im II. Trimenon publiziert [6]. Dagegen sind die Mindestanforderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hinsichtlich der speziellen bzw. organbezogenen Fetaldiagnostik bisher unverändert geblieben [7].

Um die Erkennung von fetalen Fehlbildungen durch Praxisärzte/innen zu verbessern, werden nun über die Frauenärztliche Bundesakademie Intensivkurse unter Nutzung eines Ultraschallsimulators angeboten, wobei es das Ziel dieser Kurse ist, das Erkennen und die Systematik von häufigen Fehlbildungen zu vermitteln.

Ultraschallsimulatoren kommen in der Medizin in verschiedenen Fächern zur Anwendung, vorrangig in der Inneren Medizin und in der Geburtshilfe [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15]. Ein Ultraschallsimulator besteht aus einem leistungsfähigen Computer, einem den Patientenkörper nachbildenden Dummy mit elektromagnetischer Lokalisationseinheit und einer 3D-Sensor beinhaltenden Schallkopfattrappe. Aus dem im Rahmen einer realen Patientenuntersuchung aufgenommenem 3D-Ultraschallvolumen rekonstruiert der Simulator in Echtzeit das der jeweiligen frei wählbaren Schallkopfposition entsprechende zweidimensionale B-Bild, sodass der täuschend echte Eindruck einer realen Ultraschalluntersuchung resultiert [14]. Am Simulator können einzelne B-Bilder mit der Freeze-Funktion gespeichert werden. Ebenso lassen sich auch Eindringtiefe und Gain verändern wie auch Messungen vornehmen [14]. Insgesamt gestattet der Ultraschallsimulator eine realitätsnahe Erarbeitung pathologischer Befunde, zeigt jedoch hinsichtlich der Fallauswahl, der Bildqualität, des Bildwinkels und des Lernerfolgs Grenzen. Eine qualifizierte Simulatorschulung unter Anleitung erfahrener Tutoren bietet jedoch die Möglichkeit, Grund- wie auch Fortgeschrittenenkenntnisse in der Ultraschalldiagnostik zu vermitteln. Über positive Ergebnisse hinsichtlich des Lernerfolges wurde von verschiedenen Autoren berichtet [2] [8] [10] [14]. Allerdings spiegelt die Ultraschalluntersuchung am Phantom nur bedingt die Realuntersuchung an der Patientin wider, da nicht alle Situationen nachgeahmt werden können (Überblick siehe Tab. [1]).

Ohne Zweifel können mit einem solchen System Schallkopfführung, Schnittebenen und Messungen geübt werden. Ob jedoch die in Deutschland im Routinescreening relativ niedrige Fehlbildungserkennungsrate von 30,3 % [16] durch Intensivkurse mit Simulatortraining verbessert werden kann, wird sich erst durch zukünftige Studien zeigen.

Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen fetalen Fehlbildungen mit unterschiedlicher Inzidenz und Komplexität und auch von Patientinnen mit unterschiedlichen Schallbedingungen (Bauchdeckendicke, Fruchtwasserverhältnisse) wie auch der unterschiedlichen Lage der Feten, gehört zu einem qualifizierten Fehlbildungsnachweis/-ausschluss sicherlich mehr als nur die Darstellung der „häufigsten” fetalen Fehlbildungen am Phantom. Eine qualifizierte fetale Fehlbildungsdiagnostik lässt sich nach wie vor nur im routinemäßigen Einsatz der pränatalen Diagnostik bei hoher Konzentration der pathologischen Befunde erlernen. Dies ist wiederum nur an qualifizierten Pränatalzentren gegeben. Dort aber sind die Ausbildungsstellen limitiert.

Tab. 1 Vor- und Nachteile eines Ultraschallsimulators
derzeitige Vorteile eines Ultraschallsimulatorsderzeitige Nachteile eines Ultraschallsimulators
realitätsnahe Ultraschalluntersuchung am Phantom ohne Zeitdruckbeschränktes Blickfeld mit Fehlen von bestimmten Orientierungspunkten
erlernen von Schallkopfführung und Darstellung von Schallebeneneingeschränkte Bildqualität
Übung von Messungenkeine Untersuchung an bewegten Objekten möglich
unterschiedliche Pathologien können eingespielt werdenkeine Doppleruntersuchung möglich
Fehlbildungsdiagnostik ohne Patientin keine Untersuchung am schlagenden Herzen
Verbesserung der Erkennungsrate bei den häufigsten Fehlbildungenunterschiedliche Schallbedingungen können nicht simuliert werden
qualifizierte Simulatorschulung nur mithilfe von erfahrenen Tutoren möglich
die Untersuchung am Phantom ist nur bedingt mit einer Untersuchung an der Patientin vergleichbar

english

The quality of the result of an ultrasound examination is dependent on the technical standard of the apparatus, insonation conditions and the qualification of the examiner. In the special case of diagnostics of fetal malformations the qualification of the examiner is particularly important. The incidence of fetal malformations is extremely variable. There are relatively common malformations occurring in about 1 in 200 births (cardiac defects, for instance [1]), whereas the occurrence of others is extremely rare with a rate of 1 in 200 000 to 1 in 400 000 (OIES complex, for instance [2]). With a calculated malformation incidence of 1 in 200 000, a gynaecologist working in a practice attending to about 100 pregnancies per year has virtually no chance of ever being confronted with such a malformation, let alone recognise it.

Highly qualified diagnosis of malformations can therefore only be achieved by assuring that abnormal findings get concentrated in specialised prenatal centres and practices and by providing special training to the examiners. This kind of pooling would require the recognition of abnormalities during ultrasound screening, however, which would then result in referring the pregnant woman to a prenatal centre.

In Germany, the concentration of fetal malformations in special centres has been implemented in the last 25 years by stringent adherence to the 3-level-concept [3] through the section of gynaecology and obstetrics of the Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM, German Ultrasound Society). In addition, quality requirements for qualification at DEGUM level 2 have been raised in the last 4 years. This was implemented by introducing an examination in 2002 and also by extending the quality requirements for higher level differential diagnosis of ultrasound examinations in the 2nd trimester [4] as well as for in-depth ultrasound examination during the 1st trimester [5]. Extended minimal requirements for level 1 diagnostics during the 1st trimester have also been published recently [6]. Minimal requirements on behalf of the Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) concerning specialised as well as organ-oriented fetal diagnostics, however, have so far remained unchanged [7].

In order to improve recognition of fetal anomalies by gynaecologists in practice, intensive training utilising ultrasound simulators is offered by the Federal Academy of Gynaecologists. These courses teach the systematic of common malformations and aim towards better recognition of these cases.

Ultrasound simulators are utilised in different areas of medicine, mainly internal medicine and gynaecology [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15]. The ultrasound simulator consists of a powerful computer, a dummy modelled on a patient’s body containing an electromagnetic localisation unit and a mock ultrasound probe with a 3D sensor inside. On the basis of a 3D ultrasound volume collected from the examination of a real patient, the simulator reconstructs in real-time a two-dimensional image corresponding to the freely selectable respective position of the ultrasound probe. A deceivingly real impression of a real ultrasound examination results [14]. Single B-mode images can be stored using the freeze function. Insonation depth and gain can also be varied and measurements can be taken [14]. On the whole, the ultrasound simulator allows a fairly realistic assessment of pathological findings, although there are limitations concerning case selection, imaging quality, examination angle and success of training. Qualified simulator training by experienced tutors can nevertheless provide the opportunity to teach basic and advanced knowledge of ultrasound diagnostics. Several authors have reported positive training results [2] [8] [10] [14]. Ultrasound examination of a dummy only partly reflects the experience of examining a real patient, though, as there are situations which cannot be imitated (overview Table 1).

Undoubtedly, such a system allows getting acquainted with positioning of the probe, image planes and measuring. Further studies must demonstrate, however, whether the relatively low rate of detection of malformations in Germany - 30.3 % in routine screening [16] - can be improved by intensive simulator training.

The large number of different fetal malformations with varying incidence and complexity as well as different conditions for sonography on the side of the patient (thickness of abdominal wall, condition of amniotic fluid) and variable position of the fetus require more than the demonstration of “the most common” fetal malformations in a dummy in order to be able to speak of a qualified diagnosis or exclusion of malformations. High quality diagnostics of fetal malformations can only be learnt from routine prenatal screening in a centre where a large number of pathological findings is concentrated. This can only be guaranteed by a qualified prenatal centre where, on the other hand, training posts are limited.

Table 1 Advantages and disadvantages of an ultrasound simulator
advantages of an ultrasound simulator at present disadvantages of an ultrasound simulator at present
realistic ultrasound examination of a dummy without pressure of timelimited sections without definite landmarks for orientation
learning positioning of the probe and demonstration of imaging planeslimited imaging quality
practise of measurementsno examination of moving objects possible
different abnormal findings can be presentedno possibility of Doppler examinations
diagnosis of malformations without presence of a patientno examination on the beating heart
improving the diagnostic rate of the most common malformationsvarying insonation conditions cannot be practised
qualified simulator training only possible with the help of experienced tutors
examination of a dummy can only partly be compared to examining a real patient

Literatur

  • 1 Chaoui R, Gembruch U. Zur Epidemiologie der kongenitalen Herzfehler beim Feten und Neugeborenen.  Gynäkologe. 1997;  30 165-169
  • 2 Lee D H, Cottrell J R, Sanders R C. et al . OEIS complex (omphalocele-exstrophy-imperforate anus-spinal defects) in monozygotic twins.  Am J Med Genet. 1999;  84 29-33
  • 3 Hansmann M. Nachweis und Ausschluß fetaler Entwicklungsstörungen mittels Ultra-schallscreening und gezielter Untersuchung - ein Mehrstufenkonzept.  Ultraschall. 1981;  2 206-220
  • 4 Merz E, Eichhorn K, Hansmann M. et al . Qualitätsanforderungen an die weiterführende differenzialdiagnostische Ultraschalluntersuchung in der pränatalen Diagnostik (= DEGUM-Stufe II) im Zeitraum 18 - 22 Schwangerschaftswochen.  Ultraschall in Med. 2002;  23 11-12
  • 5 Merz E, Meinel K, Bald R. et al . DEGUM-Stufe III - Empfehlung zur „weiterführenden” sonographischen Untersuchung (= DEGUM-Stufe II) im Zeitraum 11 - 14 Schwangerschaftswochen.  Ultraschall in Med. 2004;  25 218-220
  • 6 Eichhorn K H, Schramm T, Bald R. et al . Qualitätsanforderungen an die DEGUM-Stufe I bei der geburtshilflichen Ultraschalldiagnostik im Zeitraum 19 bis 22 Schwangerschaftswochen.  Ultraschall Med. 2006;  27 185-187
  • 7 Vereinbarung von Qualitätsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Durchführung von Untersuchungen in der Ultraschalldiagnostik (Ultraschallvereinbarung) vom 10. Februar 1993 in der Fassung vom 31. Januar 2003. 
  • 8 Monsky W L, Levine D, Mhta T S. et al . Using a sonographic simulator to assess residents before overnight call.  Am J Roentgenol. 2002;  178 35-39
  • 9 Terkamp C, Kirchner G, Wedemeyer J. et al . Simulation of abdomen sonography. Evaluation of a new ultrasound simulator.  Ultraschall in Med. 2003;  24 239-244
  • 10 Maul H, Scharf A, Baier P. et al . Ultrasound simulators: experience with the SonoTrainer and comparative review of other training systems.  Ultrascound Obstet Gynecol. 2004;  24 581-585
  • 11 Weidenbach M, Wild F, Scheer K. et al . Computer-based training in two-dimensional echocardiography using an echocardiography simulator.  J Am Soc Echocardiogr. 2005;  18 362-366
  • 12 Terkamp C, Caselitz M, Benter T. et al . Verbesserung der Sonographieausbildung durch Schulung am Ultraschallsimulator.  Ultraschall in Med. 2004;  25 S74-S75
  • 13 Terkamp C, Caselitz M, Benter T. et al . Improving the Ultrasound Pathology Detection Rate by Adding Simulator Training to Conventional Ultrasound Education.  Ultraschall in Med. 2005;  26 S66
  • 14 Terkamp C, Walter B, Benter T. et al . Ultraschallausbildung am Ultraschallsimulator.  Praxis. 2006;  95 809-813
  • 15 d’Aulignac D, Laugier C, Troccaz J. et al . Towards a realistic echographic simulator.  Med Image Anal. 2006;  10 71-81
  • 16 Queisser-Luft A, Stopfkuchen H, Stolz G. et al . Prenatal diagnosis of major malformations: Quality control of routine ultrasound examinations based on a five-year study of 20 248 newborn fetuses and infants.  Prenat Diagn. 1998;  18 567-576

Prof. Dr. E. Merz, DEGUM-Neupräsident

Chefarzt der Frauenklinik, Krankenhaus Nordwest

Steinbacher Hohl 2 - 26

60488 Frankfurt/Main

    >