Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(6): 283
DOI: 10.1055/s-2006-932511
Leserbriefe

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Gewichtsverlust, Bauchschmerzen und Anämie als Folgen einer Urlaubsreise

Zum Beitrag aus DMW 40/2005L. L Schute
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. Februar 2006 (online)

Ebenso wie bei den früher in der DMW veröffentlichten Kasuistiken über chronische Bleiintoxikationen [1] [2] [5] [6] dauerte es auch in dem interessanten „Fallbericht einer Bleiintoxikation durch täglichen Gebrauch einer unsachgemäß glasierten Keramik“ mehrere Monate bis zur klärenden Diagnose und rettenden Therapie. Seit flächendeckend die Untersuchung des Blutausstrichs nicht mehr mikroskopisch durch eine(n) erfahrene(n) MTA (Medizinisch-technische(r) Assistent(in)) oder Arzt erfolgt, häufen sich die Fälle stark verzögerter Diagnosestellung derartiger Vergiftungen. Sicher ist dies mitbedingt durch deren heutige Seltenheit. So berichten Kirchgatterer et al., dass allein in Österreich die Bleibelastung der Bevölkerung von 1990-2002 um 94 % abnahm.

Einige Angaben im berichteten Fall erscheinen ergänzungsbedürftig. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wurde der - nicht datierte - Laborbefund basophil-getüpfelter Erythrozyten nicht schon bei der stationären Aufnahmeuntersuchung erhoben. Sonst hätte man sich die erwähnten, aufwändigen und teilweise sehr kostspieligen Untersuchungen - Abdominalsonografie, Gastroskopie, Koloskopie, Enteroklysma nach Sellink, Magnetresonanzcholangiopankreatikografie und Beckenkammbiospie - wenigstens z. T. sparen oder verschieben können.

Vermutlich wurde erst nach der Beckenkammbiospie die mikroskopische Untersuchung des (schon bei Aufnahme angefertigten?) Blutausstrichs nachgeholt.

Der Fall bestätigt erneut meine Meinung [3] [4], dass moderne Technik nicht immer ein Segen ist. Da technischer Fortschritt bekanntlich nicht aufzuhalten ist, bedarf es wenigstens im speziellen Fall der Blutausstrichuntersuchung dringend einer Verbesserung der Computer-Software!

Unabhängig davon sollte ein Internist beim Symptomenkomplex „chronische Anämie, Schwäche, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme und Bauchkoliken“ auch an eine chronische Bleiintoxikation denken und frühzeitig eine mikroskopische sorgfältige Blutausstrichuntersuchung veranlassen oder selbst durchführen, um die in allen einschlägigen Lehrbüchern (Literatur bei 3) dafür als „obligatorisch“ erwähnte, „hinweisende“, aber nicht „beweisende“ blaue/basophile Tüpfelung der Erythrozyten zu finden oder auszuschließen und ggfs. die klärende Blutuntersuchung auf Blei zu veranlassen.

Bei Diagnosestellung schon bei der ersten stationären Behandlung im berichteten Fall hätte sich unter anderem auch die Cholezystektomie und die Erythrozytenkonzentratgabe vermeiden lassen.

Die am Ende des Berichts aufgeführte „Konsequenz für Klinik und Praxis“ bedarf daher der Ergänzung: - Bei unklaren Bauchschmerzen und Anämie sollte die Bleivergiftung in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. Eine initiale mikroskopische Blutbilddifferenzierung kann durch den Befund basophil-getüpfelter Erythrozyten den entscheidenden Hinweis geben.

Literatur

  • 1 Authenrieth T. et al . Bleivergiftung durch griechische Keramiktasse.  Dtsch Med Wochenschr. 1998;  123 353-358
  • 2 Kirchgatterer A. et al . Gewichtsverlust, Bauchschmerzen und Anämie als Folgen einer Urlaubsreise - Fallbericht einer Bleiintoxikation.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 2253-2256
  • 3 Schute L. Der Fluch der Automaten: Leserbrief zu (6).  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 1286
  • 4 Schute L. Leserbrief zu (5).  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 215-216
  • 5 Weide R. et al . Chronische Bleivergiftung durch ayurvedische Heilpillen.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 2418-2420
  • 6 Wolf C. et al . Chronische Anämie und abdominale Schmerzen als Folge einer Bleiintoxikation.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 556-558

Dr. med. Lothar L. Schute

Internist, Radiologe, Sportmedizin

Südring 56

63500 Seligenstadt

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