Handchir Mikrochir Plast Chir 2006; 38(6): 426-427
DOI: 10.1055/s-2006-955982
Kommentar

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar zur Arbeit von V. L. Moser et al.: Ist eine unterschiedliche Behandlung bei verschiedenen Schweregraden des Sulcus nervi ulnaris-Syndroms sinnvoll?

Handchir Mikrochir Plast Chir 2006; 38: 172 - 177Commentary on the Article of V. L. Moser et al.: Is a Differentiated Treatment Depending on the Degree of Severity Justified in Cubital Tunnel Syndrome?Handchir Mikrochir Plast Chir 2006; 38: 172 - 177H. Assmus1
  • 1Neurochirurgische Gemeinschaftspraxis Dossenheim
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Publikationsverlauf

Eingang des Manuskriptes: 16.8.2006

Angenommen: 20.8.2006

Publikationsdatum:
11. Januar 2007 (online)

Zweifelsohne lohnt sich nach wie vor die Beschäftigung mit dem Kubitaltunnelsyndrom oder der Ulnarisneuropathie am Ellenbogen (UNE), auch im Hinblick auf neuere endoskopische Verfahren. Der vorliegende Beitrag bringt jedoch leider keine neuen und hilfreichen Erkenntnisse. Die Arbeit, die den inkorrekten, weil anatomisch falschen Begriff des „Sulcus nervi ulnaris-Syndroms“ [[2]] verwendet, beantwortet nicht schlüssig die im Titel aufgeworfene Frage, sondern stellt eine unbewiesene Behauptung auf. Sie veranlasst eher zu weiteren Fragen, so zum Beispiel nach den elektrophysiologischen Daten. Die Autoren verlangen objektive Parameter zur quantitativen und qualitativen Differenzierung der sensiblen und motorischen Dysfunktion. Diese Parameter hätte zuverlässiger eine kompetente Elektrophysiologie geliefert als methodisch fragwürdige (zum Beispiel unzulässiger Vergleich mit der oft ebenfalls betroffenen Gegenseite) und subjektiven Faktoren unterworfene klinische Tests. Wenn die Elektroneurographie lediglich in 61 % ihrer Fälle die Diagnose bestätigt hat, kann dies nur an mangelhaft erhobenen elektrophysiologischen Messwerten gelegen haben. Dafür spricht, dass die Befunde „in 90 % vorhanden“, aber wahrscheinlich unter kritischen Gesichtspunkten nicht verwertbar waren. Hieraus Schlussfolgerungen für den Wert der Methode abzuleiten, wie es die Autoren in einer früheren Arbeit (Handchir Mikrochir Plast Chir 2005; 37: 276 - 281) getan haben, erscheint doch sehr fragwürdig und ist nicht nachvollziehbar. Weder die vorliegende noch die frühere Arbeit enthält nachprüfbare elektrophysiologische Messwerte und auch keine Angaben, wie die Daten gewonnen wurden. Eine unzureichende oder fehlende Neurographie kann außerdem zu diagnostischen Fehlern bei der Differenzialdiagnose (C8-Läsion?) führen. Eine axonale Schädigung beziehungsweise fokale Demyelinisierung kann nicht mit der 2PD oder anderen Testverfahren zuverlässig beurteilt werden, wie die Autoren behaupten, sondern allenfalls mit der Neurographie (oder einer nicht vertretbaren Biopsie).

Es ist höchst problematisch, Operationsindikation und Operationsverfahren ausschließlich von dem klinischen Schweregrad der Läsion abhängig zu machen und andere wesentliche Kriterien wie Gelenkveränderungen nach knöcherner Verletzung (zum Beispiel Cubitus valgus) oder bei Arthrose, Tastbefund (zum Beispiel Ulnarisluxation) und intraoperativen Befund völlig zu vernachlässigen.

Dass die operativen Ergebnisse in leichten Stadien besser sind als im atrophischen Stadium, ist hinlänglich bekannt und vor allem unabhängig vom Operationsverfahren. Dies wurde von zahlreichen Autoren beschrieben und u. a. von Assmus [[1]] an einem großen Patientengut bestätigt.

Bei den Literaturangaben fehlen weitere wesentliche Arbeiten. So zeigten gerade neuere prospektiv-randomisierte Studien auch bei schwereren Läsionen gleich gute Ergebnisse nach der einfachen Dekompression im Vergleich zur Verlagerung [[4]]. Dies gilt auch für die Ulnarisluxation [[3]], die in dem Patientengut der Autoren nicht vorkommt und auch nicht in deren Behandlungsschema passt.

Den Empfehlungen der Autoren bezüglich einer frühzeitigen operativen Behandlung kann man durchaus zustimmen. Die darüber hinausgehenden, aus einer kleinen und unzureichend untersuchten Fallzahl abgeleiteten Empfehlungen zur operativen Technik sind abzulehnen und müssen weiter evaluiert werden - nicht nur die vorgeschlagene Stadieneinteilung.

Literatur

  • 1 Assmus H. Die einfache Dekompression des N. ulnaris beim Kubitaltunnelsyndrom mit und ohne morphologische Veränderungen. Erfahrungsbericht anhand von 523 Fällen.  Nervenarzt. 1994;  65 846-853
  • 2 Assmus H. Nervenkompressionssyndrome. Diagnostik und Chirurgie. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo; Springer 2003
  • 3 Bartels R H, Verhagen W I, van der Wilt G J, Meulstee J, van Rossum L G, Grotenhuis J A. Prospective randomized controlled study comparing simple decompression versus anterior subcutaneous transposition for idiopathic neuropathy of the ulnar nerve at the elbow: Part 1.  Neurosurgery. 2005;  56 522-530
  • 4 Gervasio O, Gambardella G, Zaccone C, Banca D. Simple decompression versus anterior submuscular transposition of the ulnar nerve in severe cubital tunnel syndrome: A prospective randomized study.  Neurosurgery. 2005;  56 108-117

Dr. med. Hans Assmus

Neurochirurgische Gemeinschaftspraxis

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