Fortschr Neurol Psychiatr 1995; 63: S12-S18
DOI: 10.1055/s-2007-1002291
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ambulante Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen

Outpatient Behaviour Therapy in Obsessive Compulsive DisorderI.  Hand
  • Psychiatrische und Nervenklinik und Poliklinik des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf, Hamburg
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Publication Date:
10 January 2008 (online)

Abstract

The term Obsessive Compulsive Disorder (OCD) is a label for a variety of syndromes with changing symptom configurations and different intraindividual as well as interactional functions. They are among the most difficult to treat psychiatric disorders. Heterogeneous variables affecting personal development in family, school, and peer-group, as well as genetic or brain organic variables contribute to the development of obsessions and compulsions. In more than 50 % of patients with OCD we find one or more of the following disturbances before the outbreak of the disorder: low self-esteem; social deficits; increased anxiety level with increased, ; latent aggressiveness; striving for 100% security.

Behaviour therapy today is the "treatment of choice" for OCD - both in respect of direct symptom reduction as well as the treatment of "causes", co-morbidity and risk factors. Additionally to the use of highly standardised "symptomtechniques" individualized, multimodal treatment is necessary in the more severely disturbed patients. Longterm follow-up results show 50-80% success - probably depending on variations in the study samples regarding the type of obsessions and compulsions, the degree of developmental deficits before the occurrence of OCD, actual co-morbidity, and professional as well as private life conditions. Whether and to what degree additional psychotropic medication can enhance the efficacy of behaviour therapy, and whether the high relapse rates of 70 % after discontinuation of previously successful drug treatment can be reduced by concomitant or subsequent behaviour therapy, cannot be safely concluded from the currently available studies. Are the non-responders in each of these treatments the responders of the non-respnoders in the alternative treatment mode?

This contribution may hopefully increase and understanding of the strategy of behaviour therapy and is not a cookery book for symptomatic relief.

Zusammenfassung

Zwangsstörungen sind multikonditional bedingte Syndrome mit wechselnden Symptomkonfigurationen und unterschiedlichen intraindividuellen und interaktioneilen Funktionen. Sie gehören zu den am schwierigsten zu behandelnden psychischen Störungen. Meist sind Zwangshandlungen oder -gedanken das Resultat heterogener Einzelfaktoren, aus der früheren wie aktuellen Lebensführung (z.B. Erziehungsstile in Familie und Schule, Sozialisation unter Gleichaltrigen, gesellschaftliche Normierungs- und Anpassungsprozesse) und genetischen, z.T. auch hirnorganischen Variablen. Bei über der Hälfte dieser Patienten haben sich aus diesen Ursachen heraus bereits vor der Erstmanifestation pathologischer Zwänge eine oder mehrere der folgenden Störungen entwickelt: erniedrigtes Selbstwertgefühl; soziale Defizite (sowohl im Bereich der Wahrnehmung als auch des Handelns); erhöhtes Angstniveau mit gleichzeitig erhöhter, latenter Aggressionsbereitschaft und dem Streben nach Hundertprozentigkeit und hundertprozentiger Sicherheit (beides hypothetisch als fehlschlagende Kompensationsversuche für die vorgenannten Defizite).

Die Verhaltenstherapie gilt heute als ,,die Therapie der Wahl" bei diesen Störungen - sowohl hinsichtlich einer gezielten Symptomreduktion als auch einer Therapie der o.g. ,,Ursachen", der ,,Komorbidität" und der Risikofaktoren. Neben dem Einsatz hochgradig standardisierter symptombezogener ,,Techniken" ist deshalb überwiegend ein individualisiertes, multimodales therapeutisches Vorgehen erforderlich. Die Langzeit-Erfolgsquoten liegen in den publizierten Follow-up-Studien zwischen 50-80% - vermutlich abhängig von der Zusammensetzung der jeweiligen Stichproben hinsichtlich Art der Zwänge, Ausmaß der Entwicklungsdefizite vor Ausbruch der Zwangsstörung, aktueller Komorbidität und der beruflichen und privaten Lebenssituation. Ob und wieweit zusätzliche Psychopharmaka-Medikation die Effektivität der Verhaltenstherapie verbessern kann, und ob die nach Absetzen erfolgreicher Psychopharmaka-Therapie angegebene Rückfallquote von etwa 70 % durch eine begleitende Verhaltenstherapie entscheidend gesenkt werden kann, wird erst nach Vorliegen weiterer Studien beurteilbar: Sind die Mißerfolgspatienten des jeweils einen Verfahrens die Erfolgs- oder auch die Mißerfolgspatienten des anderen Verfahrens? Mit diesem Beitrag soll versucht werden, Verständnis für die verhaltenstherapeutische Vorgehensweise bzw. die verhaltenstherapeutische Strategie zu fördern, nicht aber ein Rezeptheft für symptombezogene Techniken aufzustellen.

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