Hebamme 2007; 20(4): 220
DOI: 10.1055/s-2007-1021807
Editorial
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Interprofessionelle Zusammenarbeit ist sinnvoll!

Cordula Ahrendt
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Publication Date:
21 December 2007 (online)

Liebe Leserinnen,

vor ca. 20 Jahren absolvierte ich während meiner Hebammenausbildung in der ehemaligen DDR eine Zwischenprüfung, bei der ich Wochenbettgymnastik durchführte. In 30 Minuten mussten die Wöchnerinnen nach einem, dem Wochenbetttag entsprechenden Programm motiviert und zu gymnastischen Übungen zur Stärkung der Beckenboden- und Bauchmuskulatur angeleitet sowie über die Notwendigkeit des Weiterübens aufgeklärt werden. Die tägliche Gymnastik wurde in unserer Klinik im Frühdienst durch die Hebammen weitestgehend gewährleistet. Es erfolgte jedoch keine weitere Betreuung in der Nachsorge bzw. darüber hinaus.

Die Ziele der Gymnastik haben sich in den letzten 20 Jahren zwar nur wenig verändert, wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen engagierter Physiotherapeutinnen, der Sportphysiologie und der Gesundheitsförderung haben jedoch einen bedeutenden Einfluss auf die Wochenbett- und Rückbildungsgymnastik genommen. Die Übungen sollen gesundheitsorientiert ausgerichtet sein, Spaß machen und motivieren; die Kurse sollen interessant sein und die Möglichkeit zum sozialen Austausch bzw. zur gesundheitsfördernden Beratung im ersten Jahr nach der Geburt bieten.

Während der Hebammenausbildung hängt die Entwicklung von Fach- und Methodenkompetenz der Lernenden sehr vom Engagement der Lehrerinnen für Hebammenwesen ab. Es geht um das eigene Erlernen und Anleiten von Übungen zur Förderung des Körpergefühls und der physiologischen Rückbildung bzw. zur Linderung von Beschwerden. Vor ca. 8 Jahren initiierte ich an unserem Ausbildungszentrum erstmalig ein eintägiges gemeinsames Projekt mit Hebammen- und PhysiotherapieschülerInnen des 3. Ausbildungsjahres, bei dem jede Berufsgruppe von der anderen lernte und für die Sichtweisen der jeweils anderen Profession sensibilisiert wurde. Seifert und Zenker (s. S. 272) untersuchten in ihrer Diplomarbeit, wie interprofessionelle Lernformen während der Ausbildung die Kooperation beider Berufsgruppen fördern, um eine optimale Betreuung der Frauen zu erreichen.

Nicht zuletzt die Erweiterung der Hebammengebührenverordnung um die Durchführung der Rückbildungskurse über das Wochenbett hinaus hat viele Hebammen dazu bewogen, sich in diesem Bereich fortzubilden. Dabei wurde klar, dass eine unzureichende oder gar falsche Durchführung der Übungen zu Spätfolgen bei den Frauen führen kann und dass es nicht nur um eine Anleitung zum Turnen geht. Fortbildung ist weiterhin unerlässlich, um in der Lage zu sein, mit der Frau individuelle Konzepte entsprechend ihrer Lebensumstände und ihres körperlichen Status zu finden.

In diesem Heft können Sie wichtige physiologische Zusammenhänge und unverzichtbare Übungen in der Rückbildungsgymnastik und Übungen zur Therapie einer physiologischen Rektusdiastase post partum nachlesen. Bei einer ausgeprägten Rektusdiastase oder anhaltender Inkontinenz ist eine konsequente Reflexion der eigenen Kompetenz, das Erkennen der eigenen Grenzen sowie eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Hebammen und PhysiotherapeutInnen, Orthopäden bzw. Gynäkologen wichtig.

Für alle, die wie ich auf die Ergebnisse unserer Leserinnenumfrage zu den heute praktizierten Gebärhaltungen schon sehr gespannt sind, habe ich die Vorabinformation: Die Auswertung benötigt noch etwas Zeit und wird in Heft 1-2008 publiziert.

Mit einem Beitrag über die Zukunft der klinischen Geburtshilfe (s. S. 222) schließen wir die „Jubiläumsreihe” im 20. Jahrgang unserer Zeitschrift ab. Nehmen wir diese positiven Visionen doch einfach mit ins neue Jahr! Vielleicht können wir - allmählich, Schritt für Schritt - im Laufe der Zeit mehr davon umsetzen als wir uns momentan noch zutrauen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Diskutieren und Lesen dieser Ausgabe.

Cordula Ahrendt

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