Aktuelle Neurologie 2007; 34: 37
DOI: 10.1055/s-2007-980073
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Progressive supranukleäre Paralyse (PSP)

J.  Schwarz, A.  Storch
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Publication Date:
08 August 2007 (online)

Die progressive supranukleäre Paralyse (PSP [ICD-10: 23.1] [OMIM: 601104]) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die überwiegend sporadisch, in seltenen Fällen aber auch familiär gehäuft auftritt (Pastor u. Mitarb., 2001; Stanford u. Mitarb., 2000). Die Prävalenz ist derjenigen der MSA vergleichbar und wird mit 5 - 6 pro 100 000 Einwohner angegeben (Litvan, 2003). Das klinische Bild der PSP ist bei voller Ausprägung charakteristisch, die frühe Diagnose jedoch häufig schwierig. Die Patienten zeigen einen fixierten Gesichtsausdruck („Mona-Lisa-Starren”) mit einer langsamen Blinkfrequenz. Der Kopf ist häufig rekliniert und die Stimme ist leise und undeutlich zu einem typischen „Brummen/Knurren” verändert. Die Patienten laufen mit einem verplumpten Gangbild und unsicher (mit einer Tendenz zu Stürzen) nach hinten. Die Zeit, auf Fragen zu antworten, ist in der Regel durch eine Verlangsamung der kognitiven Prozesse deutlich verlängert. Schon Charles Dickens beschrieb 1857 in seiner Novelle “The Lazy Tour of Two Idle Apprentices” eine Person mit den typischen Zeichen einer PSP “A chilled, slow earthy, fixed old man. A cadaverous man of measured speech. An old man who seemed as unable to wink, as if his eyelids had been nailed to his forehead. An old man whose eyes - two spots of fire - had no more motion that if they had been connected with the back of his skull by screws driven through it, and rivetted and bolted outside, among his grey hair.”

Neuropathologisch stehen eine Atrophie des Mesenzephalons und des Globus pallidums im Vordergrund. Auf neuronaler Ebene sind sowohl dopaminerge als auch cholinerge und GABAerge Systeme vom degenerativen Prozess betroffen. Als ein wesentliches Diagnosekriterium gilt dem Neuropathologen die typische Verteilung von fibrillären Depositen in Neuronen sowie Astro- und Oligodendroglia, wie sie im Hirnstamm, in den Basalganglien und im präfrontalen Kortex zu finden sind. Diese Ablagerungen sind aus dem Zytoskelettprotein Tau zusammengesetzt, weswegen die PSP zu den Tauopathien gerechnet wird.

Allerdings ist die PSP weder neuropathologisch noch klinisch einheitlich. Morris u. Mitarb. beschrieben bereits 2002 eine Variante der PSP, die klinisch eher einem Morbus Parkinson ähnelt mit asymmetrischer Klinik, Tremor und teilweise auch einem Ansprechen auf L-DOPA. Neuropathologisch ist diese Variante zwar auch durch fibrilläre Tau-Ablagerungen im Hirnstamm charakterisiert, die allerdings eher den “paired-helical-filaments” entsprechen, die typischerweise bei Patienten mit Morbus Alzheimer gefunden werden. Des Weiteren konnte auch bei Patienten mit familiärem Parkinson-Syndrom und Mutationen im LRRK2-Gen teilweise neuropathologische Veränderungen gefunden werden, die eher einer solchen Variante der PSP als den typischen Synuklein-Ablagerungen entsprechen.

Es scheint immer schwieriger zu werden, genetische, klinische und neuropathologische Diagnosen in ein gemeinsames Bild zu fügen.

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