Laryngorhinootologie 1996; 75(10): 590-596
DOI: 10.1055/s-2007-997640
Laryngologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Struktur und Funktion des ventralen Stimmbandansatzes*

Unter klinischen GesichtspunktenStructure and Function of Ventral Vocal Fold Insertion from a Clinical Point of ViewF. Paulsen, B. Tillmann
  • Anatomisches Institut (Direktor: Prof. Dr. B. Tillmann) der Universität Kiel
* Auszugsweise vorgetragen auf der 91. Versammlung der Anatomischen Gesellschaft, Tripartite Meeting, Jena, 24.-27. März 1996 und auf der 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Aachen, 18.-22. Mai 1996.
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Ausbreitung von Karzinomen im Bereich des ventralen Stimmbandansatzes wird in der Klinik kontrovers diskutiert. Ein Grund für die voneinander abweichenden Vorstellungen über die Karzinomausbreitung liegt möglicherweise in der unterschiedlichen Beurteilung der morphologischen Strukturen dieser Region. Methode: In der vorliegenden Arbeit werden die Strukturen der Insertionszone des Ligamentum vocale mit Hilfe histologischer, immunhistochemischer und elektronenmikroskopischer Methoden untersucht. Als Material stehen 17 männliche und 13 weibliche Kehlköpfe (Alter von 21-88 Jahren) zur Untersuchung in drei Ebenen zur Verfügung. Ergebnisse: Das Ligamentum vocale inseriert im Bereich des ventralen Stimmbandansatzes über zwei charakteristische Strukturen: über die Noduli elastici, in denen zwei Bereiche morphologisch voneinander abgegrenzt werden können, und über die Stimmbandsehne, ein Geflecht aus Kollagenfibrillen, das reich an sulfatierten Glykosaminoglykanen ist. Im unteren Abschnitt der Noduli elastici bilden Kollagenfibrillen sowie elastische und retikuläre Fasern ein scherengitterartiges Netzwerk um dazwischen eingelagerte Zellen; im oberen Abschnitt sind die Fasern parallel angeordnet. Die Stimmbandsehne steht über Faserknorpel mit dem Schildknorpel oder -knochen in Verbindung. In diesem Bereich fehlt das Perichondrium oder Periost. Mit einsetzender Osteogenese dringen Gefäße aus der Plica vocalis in das knöcherne Schildknorpelskelett ein und treten mit extralaryngealen Gefäßen in Verbindung. Schlußfolgerungen: Die Bindegewebszellen des Insertionsbereichs und die von ihnen gebildete Extrazellulärmatrix erfüllen biomechanische Funktionen, indem sie die unterschiedlichen Elastizitätsmodule von Sehne sowie Knorpel und Knochen angleichen. Das Wachstum von Stimmlippenkarzinomen nach ventral wird durch das fehlende Periost im Insertionsbereich sowie aufgrund der mit der Verknöcherung des Schildknorpels einhergehenden Vaskularisation ermöglicht.

Summary

Background: Spread of cancer at the ventral vocal fold insertion zone has been discussed controversially until today. One reason for this is the so far insufficient knowledge of the anatomical structure and function of the insertion zone. Methods: The present study analyses the structures of laryngeal anterior commissure by means of histological, immunohistochemical and electron microscopical methods. Investigations are performed on vocal cords of 17 male and 13 female (aged 21-88 years) in three planes. Results: The vocal ligament inserts at the anterior commissure via two characteristic structures: the noduli elastici, which consist of two different morphological zones, and the vocal ligament tendon, a dense mesh of connective tissue rieh in sulfated glycosaminoglycans. In the lower part of noduli elastici collagen and elastic fibres form a meshwork around embedded cells; in the upper part fibres are running in parallel. The vocal ligament tendon is connected to the thyroidal cartilage or bone by fibro-cartilage. This area lacks a perichondrium or periosteum. At the beginning of osteogenesis vessels of plica vocalis penetrate the bony thyroidal skeleton and contact with extralaryngeal vessels. Conclusions: Connective tissue cells of the insertion zone and extracellular matrix components formed by these cells fulfil biomechanical functions by equalizing the different elastic moduli of tendon, cartilage or bone. Ventral spread of vocal fold carcinomas is made possible by the lack of periosteum in the insertion zone as well as ossification and associated vascularisation of the thyroid cartilage.

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