Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2008; 40(2): 79
DOI: 10.1055/s-2008-1044091
Forschung
Neues aus der Onkologie
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Bluttransfusion: Keine Krebsübertragung durch präkanzeröse Spender

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Publication Date:
17 July 2008 (online)

Bluttransfusion: Keine Krebsübertragung durch präkanzeröse Spender

Während die meisten infektiösen Komplikationen einer Bluttransfusion vergleichsweise einfach zu identifizieren sind, stellt die mögliche Übertragung chronischer Krankheiten mit unbekannter Ursache und langer Induktion oder Latenzperiode ein weitaus komplexeres Thema dar. Diese strittige Frage, ob Krebs durch Bluttransfusionen übertragen werden kann, wurde nun in einer retrospektiven Kohortenstudie aus Skandinavien geprüft (Lancet 2007; 369: 1724 – 1730).

G. Edgren et al. vernetzten die „Scandinavian Donations and Transfusions Database” (SCANDAT), in welche die Daten von allen computergestützten Blutbankregistern Schwedens und Dänemarks der Jahre 1968 – 2002 eingespeist wurden, mit den nationalen Bevölkerungs- und Gesundheitsregistern, einschließlich der Krebsregister. Auf diese Weise ermittelten die Autoren, wie viele Blutspender innerhalb von 5 Jahren nach der Blutspende an Krebs erkrankten (präkanzeröse Spender) und bei wie vielen Transfusionsempfängern, die Blut von präkanzerösen Spendern erhalten hatten, später eine Krebserkrankung festgestellt wurde. Die Nachbeobachtung der Empfänger begann 6 Monate nach der ersten Transfusion und betrug maximal 34 Jahre.

Eine skandinavische Studie zeigte, dass Krebserkrankungen nicht per Bluttransfusion übertragen werden (Bild: PhotoDisc).

Von 354 094 für die Analyse geeigneten Empfängern erhielten 12 012 (3 %) Blut von präkanzerösen Spendern. Bei diesen Empfängern war das Krebsrisiko nicht höher als bei Patienten, die Transfusionen von Spendern erhalten hatten, die später nicht an Krebs erkrankten (adjustiertes relatives Risiko 1,00; 95 % Konfidenzintervall 0,94 – 1,07). Dabei wurden als Einflussfaktoren Geschlecht, Alter, Anzahl der Transfusionen und Zeitperiode berücksichtigt. Einzige Ausnahme war ein 19 % erhöhtes Krebsrisiko bei männlichen Empfängern 5 – 9 Jahre nach der ersten Transfusion. Warum, blieb unklar. Wie eine Subanalyse der dänischen Daten zeigte, spielte es keine Rolle, an welcher Krebsart der Spender erkrankte oder ob der Tumor bereits metastasiert war. Ebenso wenig fand man bei den Empfängern eine Häufung bestimmter Tumorarten. Selbst von Spendern, die an Tumoren mit hohem hämatogenen Streuungspotenzial litten, ging kein erhöhtes Krebsrisiko für die Empfänger aus.

Fazit: Bluttransfusionen von präkanzerösen Spendern sind im Vergleich zu Transfusionen von krebsfreien Spendern nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko für die Empfänger assoziiert, so die Autoren.

Kommentar: Über die Kontrolle von transfusionsbedingten viralen Infektionen hat man vieles gelernt, so G. H. Utter von der University of California (Lancet 2007, 369: 1670 – 1671). Im Gegensatz dazu ist das Verständnis bezüglich chronischer – auch nichtviraler – Erkrankungen eher rudimentär. Mit ihrer sorgfältigen Analyse eines großen und relativ vollständigen Datensatzes haben Edgren und Kollegen nun einen wichtigen Schritt zur Bewertung eines dieser potenziellen Langzeitrisiken von Bluttransfusionen getan.

Renate Ronge 

Münster

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