Dtsch Med Wochenschr 1991; 116(5): 175-178
DOI: 10.1055/s-2008-1063598
Kurze Originalien & Fallberichte

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akute Bleivergiftung

Acute lead poisoningE. Höring, K.-U. Radtke, U. von Gaisberg
  • Medizinische Klinik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. U von Gaisberg), Krankenhaus Bad Cannstatt, Stuttgart
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. März 2008 (online)

Zusammenfassung

Eine 36jährige Patientin litt seit 2 Monaten unter zunehmenden diffusen abdominellen Schmerzen von teilweise kolikartigem Charakter, Übelkeit und Erbrechen, begleitet von einer schweren Obstipation. Zusätzlich entwickelten sich Parästhesien und Schwächeerscheinungen in den Oberschenkeln. Auffällig war eine normochrome, normozytäre Anämie mit einer Hämoglobinkonzentration von 9,6 g/l. Kurze Zeit später traten auch bei der Mutter und der Tochter ähnliche Symptome auf. Nach einer erfolglosen symptomatischen Therapie wurde schließlich eine sekundäre Koproporphyrie bei einer akuten Bleivergiftung diagnostiziert. Zur Intoxikation war es durch die Aufnahme von in krimineller Absicht mit Bleiacetat kontaminierten Lebensmitteln, vor allem eines Kakaopulvers gekommen. Bei zwei weiteren Familienangehörigen wurden ebenfalls erhöhte Bleikonzentrationen im Serum gefunden. In allen Fällen erfolgte eine Therapie mit Natriumcalciumedetat (20 mg/kg Körpergewicht) in mehreren dreitägigen Zyklen. Daraufhin fielen die Serum-Bleikonzentrationen kontinuierlich ab. Bei Werten unter 4 µmol/l verschwanden die Beschwerden; bei Werten unter 3 µmol/l war keine Prophyrinurie mehr nachweisbar, die Anämie bildete sich zurück. Da eine Bleivergiftung auch tödlich enden kann, sollte sie bei der Differentialdiagnose akuter unklarer abdomineller Koliken berücksichtigt werden.

Abstract

A 36-year-old woman had for two months experienced progressively more marked diffuse abdominal pain, at times colicky, as well as nausea, vomiting and severe constipation. In addition, paraesthesias and motor weakness developed in the thighs. This was accompanied by a normochromic, normocytic anaemia with a haemoglobin concentration of 9.6 g/l. A short time later her mother and daughter also fell ill with similar symptoms. After symptomatic treatment had failed, secondary coproporphyria due to lead poisoning was found. The poisoning had resulted from criminal contamination of food, especially of cocoa powder, with lead acetate. Raised lead concentrations in serum were found in two other members of the family. In all the patients treatment was undertaken with sodium calcium edetate (20 mg/kg body-weight) in several three-day cycles, achieving a gradual fall in serum lead concentration. When the level had fallen to below 4 µmol/l the symptoms disappeared. Below 3 µmol/l porphyria was no longer demonstrable and the anaemia regressed. It is pointed out that, as lead poisoning may be fatal, it should be considered in the differential diagnosis of acute abdominal colic of unclear cause.

    >