Hintergrund und Ziel: Die gesundheitswissenschaftliche Diskussion im Zusammenhang mit der Arzt-Patienten-
bzw. Dienstleister-Kunden-Beziehung konzentrierte sich bisher insbesondere auf die
Frage, inwieweit der Patient tatsächlich Kunde sein kann. Ziel der vorliegenden Arbeit
war es zu evaluieren, inwieweit sich niedergelassene Ärzte mit dem Begriff des Dienstleisters
identifizieren können und welche Vorbehalte sie gegebenenfalls dagegen anführen. Methodik: Mit explorativer Zielsetzung wurden semistandardisierte Interviews (n=17) mit niedergelassenen
Ärzten geführt. Die Interviews thematisierten die ärztliche Tätigkeit vor dem Hintergrund
von steigenden Patientenwünschen und der Möglichkeit eines ärztlichen Angebots an
Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Die Interviewtranskripte wurden analysiert,
codiert und ausgewertet. Ergebnisse: Die Einstellungen gegenüber dem Begriff des Dienstleisters zeigten eine große Bandbreite
von völliger Zustimmung bis zu völliger Ablehnung. Gleichzeitig machte die Befragung
deutlich, dass keine einheitliche Definition eines Dienstleisters in den ärztlichen
Vorstellungen existiert. Im Falle einer Ablehnung der Übertragung des Begriffes auf
den Arzt war meist entscheidend, dass für den Dienstleister ethisches Verhalten eher
bezweifelt, für den Arzt aber als essentiell erachtet wird. Die Erfüllung von Patientenwünschen
über das medizinisch Notwendige hinaus würde am Grundsatz „primum nihil nocere“ seine
Grenzen finden. Die befragten Ärzte waren sich einig, dass zukünftig die Fähigkeit,
die eigene ärztliche Leistung, z.B. in Form von IGeL, gut verkaufen zu können, von
größerer Bedeutung sein wird als dies heute der Fall ist. Dabei zeigte sich auch,
dass Verkaufen eine Tätigkeit ist, die Ärzte zwar nicht unbedingt generell als unvereinbar
mit dem ärztlichen Selbstverständnis sehen, von der sie aber zumindest glauben, sie
müssten sie erst erlernen. Die persönliche Abneigung gegen die Tätigkeit des Verkaufs
kann dabei so groß werden, dass diese Aufgabe an die Arzthelferin delegiert wird.
Diskussion: Die Befragung machte deutlich, dass mit einer Entwicklung hin zum Dienstleister neue
Anforderungen an den Arzt herangetragen werden. Eine quantitativ-empirische Überprüfung
der Ergebnisse bei größeren Fallzahlen erscheint ratsam.