CC BY-NC-ND 4.0 · Aktuelle Ernährungsmedizin 2018; 43(03): 173-177
DOI: 10.1055/a-0603-2782
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Das PURE Desaster: Vorschnelle Schlagzeilen führen zu unnötiger Verunsicherung von Verbrauchern und Patienten

A PURE Disaster: Premature Headlines Lead to Needless Uncertainty of Consumers and Patientsfür die
Margrit Richter
1   Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
,
Sarah Egert
1   Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.
,
Bernhard Watzl
2   Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung; Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel
,
Stefan Lorkowski
3   Institut für Ernährungswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena und Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) Halle-Jena-Leipzig
,
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) › Author Affiliations
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Publication Date:
04 June 2018 (online)

Zusammenfassung

Die Auswertung der Prospective Urban Rural Epidemioloy (PURE)-Studie von Dehghan et al. sowie verschiedene, in diesem Zusammenhang veröffentlichte Schlagzeilen suggerierten, dass die Ergebnisse der Studie die gängigen Ernährungsempfehlungen widerlegen und die Empfehlungen dahingehend geändert werden müssten, die Kohlenhydratzufuhr zu senken und die Fettzufuhr zu erhöhen. Durch methodische Schwächen, wie der Einschluss von Probanden mit nichtadäquater Energiezufuhr, den Vergleich mit Referenzgruppen mit unzureichender Nährstoffzufuhr, die Nichtbeachtung der Kohlenhydratqualität, der Ballaststoffzufuhr sowie der Substitution einfacher Kohlenhydrate durch Fett bzw. gesättigte Fettsäuren und die fehlende Stratifizierung der Daten nach Einkommen und Region ist die Aussagekraft der Ergebnisse stark eingeschränkt. Zudem ist die Schlussfolgerung falsch, dass die Erkenntnisse aus der PURE-Studie aktuelle Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) infrage stellen. Mit einer Ernährung, die entsprechend den Richtwerten der DGE einen moderaten Fettanteil von 30 – 35 En% und einem Kohlenhydratanteil von über 50 En% aufweist, ist in der PURE-Studie kein erhöhtes Risiko für Mortalität und Morbidität zu erkennen. Wichtiger als eine Diskussion über Nährstoffrelationen ist aus Sicht der DGE eine generell zu hohe Energiezufuhr und eine unzureichende Qualität der Ernährung, d. h. der zu geringe Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln und der zu hohe Verzehr von zugesetztem Zucker und raffinierter Stärke.

Abstract

The assessment of the Prospective Urban Rural Epidemiology (PURE)-study of Dehghan et al. and several in this context published headlines suggested that global dietary guidelines should be reconsidered towards a decreased carbohydrate intake and increased fat intake. Due to methodological weaknesses like inclusion of participants with inadequate energy intake, use of reference groups with inadequate intake of nutrients, non-observance of carbohydrate quality, intake of dietary fibre, and substitution of mono- and disaccharides by dietary fat or saturated fatty acids, as well as missing stratification by income and region, the explanatory power of the results is very limited. The conclusion, that the recommendations of the German Nutrition Society (DGE) may be challenged by the results of the PURE-study is limited. In the PURE-study, a nutrition according to the guiding values of the DGE with a moderate percentage of fat (30 – 35 % of energy) and more than 50 % of energy from carbohydrates indicated no increased risk of morbidity and mortality. According to the DGE, overconsumption of energy in general and insufficient quality of the diet, e. g. inadequate consumption of foods high in dietary fibre and overconsumption of added sugars and refined starch, is more essential than the relation of macronutrients.