Zusammenfassung
Ziel der Arbeit Kulturelle Aspekte der Medikamentennutzung in der
Türkei können aufgrund ausgeprägter transnationaler
Beziehungen das Nachfrageverhalten von Menschen mit türkischem
Migrationshintergrund in Deutschland beeinflussen. Über die
Antibiotikanutzung in dieser Bevölkerungsgruppe ist allerdings wenig
bekannt. Die Studie untersucht, wie sich das Nachfrageverhalten von Menschen mit
türkischem Migrationshintergrund und die Interaktion mit dem
Gesundheitssystem im Zusammenhang mit der Antibiotikanutzung gestalten, welche
Einstellungen zugrunde liegen und wie diese mit vorhandenem Hintergrundwissen
zusammenhängen.
Methodik Mit einem qualitativen Ansatz wurden Handlungslogiken und das
Verhalten von türkeistämmigen Erwachsenen in Deutschland
untersucht. Dazu wurden leitfadengestützte Fokusgruppeninterviews mit
türkeistämmigen Erwachsenen und Experteninterviews mit
HausärztInnen und ApothekerInnen durchgeführt und
inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse Während bei jüngeren Menschen eine positive,
aber vorsichtige Haltung gegenüber der Einnahme von Antibiotika
vorliegt, finden sich bei Älteren teilweise übersteigerte
Erwartungen an die Wirksamkeit, die auf fehlendes Faktenwissen
zurückgehen. Insgesamt nehmen die TeilnehmerInnen eine passive
Patientenrolle in der Interaktion mit HausärztInnen ein, wodurch
bestehende Informationslücken teils nicht geschlossen werden.
Schlussfolgerungen Ältere Menschen mit türkischem
Migrationshintergrund haben teils unrealistische Erwartungen an die Wirksamkeit
von Antibiotika. In Zusammenhang mit einer passiven Patientenrolle werden
Informationsbedarfe und -bedürfnisse nicht befriedigt, was die
Arzt-Patient-Beziehung belasten kann. Eine Anpassung der Kommunikation und eine
migrationssensible Informationsvermittlung sind daher notwendig.
Abstract
Objectives Due to strong transnational ties, the use of and demand for
antibiotics among Turkish migrants in Germany may be influenced by cultural
aspects of antibiotic use in Turkey. Research on the use of antibiotics among
Turkish migrants in Germany, however, is scarce. The aim of this study was to
find out how Turkish migrants in Germany use antibiotics, whether and how
knowledge, underlying motives and attitudes influence demand and how Turkish
migrants interact with medical professionals.
Materials and methods Using a qualitative approach, behavioural patterns
and logic of action of adult Turkish migrants were identified. We carried out
semi-structured focus group interviews with adults of Turkish origin residing in
Germany and expert interviews with family physicians and pharmacists. The
interviews were analysed by means of content analysis.
Results While younger migrants had a generally positive, but cautious
attitude towards the use of antibiotics, older migrants often showed
exaggerated, unrealistic expectations resulting from a lack of factual
knowledge. Overall, participants adopted a passive role in the patient-provider
relationship. This led to a perpetuation of significant knowledge gaps.
Conclusions Older Turkish migrants who have less factual knowledge show
exaggerated expectations concerning the effectiveness of antibiotics. In
conjunction with a passive patient role, resulting in information needs not
being satisfied, this can affect the patient-provider relationship. A more
active communication by physicians and information materials sensitive to the
needs of migrants can positively influence the interaction between migrant
patients and medical professionals.
Schlüsselwörter
Antibiotika - Migrationshintergrund - Arzt-Patienten-Beziehung - Qualitative Studie
Key words
Physician-patient relationship - migration - qualitative research - antibacterial
agents