Aktuelle Ernährungsmedizin 2020; 45(03): 182-192
DOI: 10.1055/a-1179-9594
Positionspapier
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ESPEN-Expertenerklärungen und praktischer Leitfaden für das Ernährungsmanagement von Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion

ESPEN Expert Statements and Practical Guidance for Nutritional Management of Individuals with SARS-CoV-2 Infection
Rocco Barazzoni*
1   Institut für Medizin, Chirurgie und Gesundheitswissenschaften, Universität Triest, Triest, Italien
,
Stephan C. Bischoff*+
2   Institut für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland
,
Joao Breda
3   Europäisches Büro der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa, Moskau, Russische Föderation
,
Kremlin Wickramasinghe
3   Europäisches Büro der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten, Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa, Moskau, Russische Föderation
,
Zeljko Krznaric
4   Abteilung für Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung, Universitätsklinikum Zagreb, Zagreb, Kroatien
,
Dorit Nitzan
5   Koordinator Gesundheitsnotfälle und Betriebsmanagement, Regionalbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Europa, Kopenhagen, Dänemark
,
Matthias Pirlich
6   Praxis an der Kaisereiche, Endokrinologie, Gastroenterologie & Klinische Ernährung, Berlin, Deutschland
,
Pierre Singer
7   Abteilung für Allgemeine Intensivmedizin und Institut für Ernährungsforschung, Rabin Medical Center, Beilinson-Krankenhaus, Sackler School of Medicine, Universität Tel Aviv, Tel Aviv, Israel
,
unterstützt vom ESPEN Council› Author Affiliations
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Publication Date:
16 June 2020 (online)

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Zusammenfassung

Die COVID-19-Pandemie stellt Patienten und Gesundheitssysteme weltweit vor außergewöhnliche Herausforderungen und Bedrohungen. Akute Atemwegserkrankungen, die eine intensivmedizinische Therapie erfordern, sind eine Hauptursache für Morbidität und Mortalität bei COVID-19-Patienten. Es wird berichtet, dass immungeschwächten Personen, zu denen ältere Menschen, polymorbide Patienten sowie unterernährte Personen im Allgemeinen gehören, eine schlechtere Prognose und eine höhere Mortalität droht. Intensivmedizinische Behandlung, Polymorbidität und höheres Alter sind mit einem hohen Risiko für Unter- und Mangelernährung assoziiert, was per se einen relevanten Risikofaktor für eine höhere Morbidität und Mortalität bei chronischen und akuten Erkrankungen darstellt. Wichtig ist auch, dass längere Aufenthalte auf Intensivstation, wie sie für die Stabilisierung von COVID-19-Patienten häufiger erforderlich sind, und längere Aufenthalte auf der Intensivstation per se Unter- und Mangelernährung verursachen oder verschlechtern. Dabei kommt es auch zu schweren Verlusten von Skelettmuskelmasse und -funktion und folglich zur Behinderung, zu eingeschränkter Lebensqualität sowie zusätzlicher Morbidität. Prävention, Diagnostik und Therapie von Unter- und Mangelernährung sollten daher routinemäßig bei der Behandlung von COVID-19-Patienten berücksichtigt werden. Im vorliegenden Dokument möchte die Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) anhand von 10 praktischen Empfehlungen präzise Vorschläge für das Ernährungsmanagement von COVID-19-Patienten anbieten. Die praktischen Anleitungen betreffen Patienten auf Intensivstation und Personen mit höherem Alter und Polymorbidität, die mit Mangelernährung und deren negativen Auswirkungen auf das Überleben assoziiert sind.

Abstract

The COVID-19 pandemics is posing unprecedented challenges and threats to patients and healthcare systems worldwide. Acute respiratory complications that require intensive care unit (ICU) management are a major cause of morbidity and mortality in COVID-19 patients. Patients with worst outcomes and higher mortality are reported to include immunocompromised subjects, namely older adults and polymorbid individuals and malnourished people in general. ICU stay, polymorbidity and older age are all commonly associated with high risk for malnutrition, representing per se a relevant risk factor for higher morbidity and mortality in chronic and acute disease. Also importantly, prolonged ICU stays are reported to be required for COVID-19 patients stabilization, and longer ICU stay may per se directly worsen or cause malnutrition, with severe loss of skeletal muscle mass and function which may lead to disability, poor quality of life and additional morbidity. Prevention, diagnosis and treatment of malnutrition should therefore be routinely included in the management of COVID-19 patients. In the current document, the European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) aims at providing concise guidance for nutritional management of COVID-19 patients by proposing 10 practical recommendations. The practical guidance is focused to those in the ICU setting or in the presence of older age and polymorbidity, which are independently associated with malnutrition and its negative impact on patient survival.

* haben gleichermaßen zum Manuskript beigetragen


+ übersetzt von Stephan C. Bischoff