Gesundheitswesen 2020; 82(12): 938-939
DOI: 10.1055/a-1306-0494
Panorama
Leserbrief

Die Rolle der Zahl verfügbarer Intensivbetten bei der Bewältigung der ersten COVID-19-Welle

Afschin Gandjour
1   Economics Department, Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt, Germany
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Häufig wird gefragt, ob die im internationalen Vergleich hohe Zahl verfügbarer Intensivbetten in Deutschland dazu beigetragen hat, eine Überlastung deutscher Krankenhäuser während der ersten COVID-19-Welle zu vermeiden. Eine Antwort darauf ergibt sich durch folgende Überlegung. Betrachten wir die norditalienische Region Lombardei, in der es bekanntlich zu einem Engpass bei der intensivmedizinischen Versorgung kam. Nehmen wir an, Deutschland hätte (nur) über die Intensivbettenzahl der Lombardei verfügt (korrigiert für deren Einwohnerzahl). Wäre es unter dieser Voraussetzung zu einer Überlastung der Intensivstationen gekommen? Die Region Lombardei hat 10 Mio. Einwohner und verfügte im März nach Ausbau der Bettenkapazität über 1202 Intensivbetten [1]. In Deutschland lag der Höchststand an COVID-19-Intensivpatienten bei 2922 am 17. April [2]. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl der Lombardei hätte sich somit ein Bedarf an 365 (2922/8) Intensivbetten ergeben. Dies entspricht einer Beanspruchung von 30% (365/1202). Es wäre jedoch wahrscheinlich nicht machbar gewesen, durch Verschiebung planbarer Eingriffe und andere Maßnahmen 30% der Intensivbetten für COVID-19-Patienten freizuhalten. Der Grund liegt darin, dass bereits alle Intensivbetten durch Nicht-COVID-19-Patienten belegt wären (selbst bei Korrektur für die Einwohnerzahl). So gab es am 26.4. (d. h. einen Tag vor Empfehlung des Bundesgesundheitsministeriums Elektiveingriffe wiederaufzunehmen [3]) einen Bedarf an 1980 Intensivbetten für Nicht-COVID-19-Patienten (korrigiert für die Differenz der Einwohnerzahl) [4]. Daher lag zumindest ein Grund für die Vermeidung einer Überlastung deutscher Intensivstationen in der relativ hohen Bettenzahl.



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Article published online:
10 December 2020

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