Zusammenfassung
Der Schlüssel zur Diagnose von Augenbewegungsstörungen ist eine systematische klinische
Untersuchung aller Arten von Augenbewegungen. Diese ist wie ein Fenster in Hirnstamm
und Kleinhirn, selbst wenn die Bildgebung unauffällig ist. Die Untersuchung umfasst
die folgenden Aspekte: Augenposition, Untersuchung auf einen Spontannystagmus, Motilität,
Blickfolge, Blickhaltefunktion, Sakkaden, Vergenzreaktion, optokinetischer Nystagmus,
Funktion des vestibulookulären Reflexes (VOR) sowie die Fixationssuppression des VOR.
Anatomisch relevante Strukturen sind Mesenzephalon, Pons, Medulla oblongata, Zerebellum
und sehr selten der Kortex. Topografisch-anatomisch gelten die folgenden einfachen
klinischen Regeln: vertikale und torsionelle Augenbewegungen werden vorwiegend im
Mesenzephalon (relevante Strukturen sind der rostrale interstitielle Kern des Fasciculus
longitudinalis medialis und der interstitielle Nucleus Cajal) und horizontale Augenbewegungen
im Pons (relevante Struktur
ist z. B. die paramediane pontine Formatio reticularis) generiert. Somit finden
sich z. B. bei Mittelhirnläsionen eine vertikale Sakkaden- oder Blickparese und ein
isolierter vertikaler Blickrichtungsnystagmus und bei Läsionen im Bereich des Pons
entsprechende horizontale Störungen sowie eine internukleäre Ophthalmoplegie. Läsionen
der lateralen Medulla oblongata (Wallenberg-Syndrom) führen zu typischen Befunden
mit Ocular Tilt Reaction, Fixationsnystagmus und Sakkadendysmetrie. Das Zerebellum
spielt eine Rolle bei praktisch allen Augenbewegungen; typische klinische Zeichen
sind eine allseitige Blickfolgesakkadierung, Blickrichtungsnystagmus oder dysmetrische
Sakkaden. Wichtig für die Beurteilung der zugrunde liegenden Erkrankungen ist der
Verlauf: akut bei Infarkten, subakut bei entzündlichen Erkrankungen, Thiaminmangel
oder unerwünschter Medikamentenwirkung sowie chronisch progredient bei hereditären
Erkrankungen wie Niemann-Pick Typ C mit typischer, zunächst
vertikaler und dann horizontaler Sakkadenparese oder neurodegenerativen Erkrankungen
wie der progressiven supranukleären Blickparese. Die Behandlung hängt von der zugrunde
liegenden Erkrankung ab. Abschließend: in einem begleitenden Artikel werden in dieser
Zeitschrift die häufigsten und klinisch relevanten Nystagmusformen wie z. B. Downbeat-,
Upbeat-, Fixationspendelnystagmus, infantiler oder periodisch-alternierender Nystagmus
und deren klinische Untersuchung dargestellt, sodass auf diese hier nicht detailliert
eingegangen wird, wobei es bewusst Überlappungen gibt.
Schlüsselwörter
Blickrichtungsnystagmus - Sakkadenparese - Blickparese - sakkadierte Blickfolge -
internukleäre Ophthalmoplegie