Gesundheitswesen 2023; 85(05): 481
DOI: 10.1055/a-2020-6571
Leserbrief

Replik zum Leserbrief von J. Rauh und D. Boywitt „Bei der Bewertung von Krankenhäusern muss fallzahlabhängige Unsicherheit berücksichtig werden“

Max Geraedts
,
Michael Schneider
,
Lisa Vorbeck

Leserbrief zu Vorbeck L, Naumoska D, Geraedts M. Assoziation von Strukturvariablen mit der Versorgungsqualität der Krankenhäuser in Deutschland. Gesundheitswesen 2022; 84(03): 242–249; DOI: 10.1055/a-1341–1246.

Wir danken den Autoren für die Stellungnahme zu unserem Beitrag und können dem in der Überschrift genannten Statement nur zustimmen: eine Qualitätsbewertung von Krankenhäusern setzt voraus, dass die zur Bewertung genutzten Indikatoren selber und das Bewertungsverfahren verschiedene methodische Gütekriterien erfüllen müssen. Dazu zählt auf jeden Fall die Berücksichtigung statistischer Unsicherheit der Indikatorausprägungen, die jeweils nur als Punktschätzer zu betrachten sind. Hinzu kommen jedoch weitere Kriterien, unter anderem die Berücksichtigung von nicht durch die Leistungserbringenden zu kontrollierenden Faktoren, die – neben der eigentlich zu beurteilenden Behandlungsgüte - die Indikatorausprägungen ebenfalls beeinflussen können. Die Kontrolle solcher Faktoren erfolgt üblicherweise durch eine Risikoadjustierung. Wir haben in unserem Beitrag die Risikoadjustierung der von uns einbezogenen Qualitätsindikatoren nicht - wie im Leserbrief suggeriert - selber beurteilt, sondern führen in der Diskussion der zum Teil kontraintuitiven Ergebnisse unserer Analysen an, dass die Risikoadjustierung der in der externen Qualitätssicherung genutzten Indikatoren eventuell bisher bei vielen Indikatoren unzureichend sein könnte, womit sich unsere Ergebnisse zur Assoziation der Bettengrößenklasse von Krankenhäusern mit den von uns entwickelten Qualitätsindices erklären ließen [1]. Aus den Angaben des Qualitätsreports 2015, der unseren Analysen zugrunde lag, ließ sich im Übrigen entnehmen, dass nur bei 91 von 351 Indikatoren überhaupt eine Risikoadjustierung durchgeführt wurde.

Die Argumentation der Leserbriefautoren, dass unsere Ergebnisse als Artefakt der methodischen Probleme unserer Indexbildung zu werten sind, können wir nicht nachvollziehen. Dies mag auf die der Artikellänge geschuldete kurze Darstellung unseres methodischen Vorgehens zurückzuführen sein. Wir haben nicht einzelne Indikatoren betrachtet, sondern zunächst jede Indikatorausprägung einem Perzentilbereich zugeordnet (> 50. Perzentile=durchschnittliche-, > 75. Perzentile=gute-, > 90. Perzentile=sehr gute Qualität) und dann jeweils alle Indikatoren, die von einem Krankenhaus in einem betrachteten Leistungsbereich („Innere Medizin und Pflege“) oder zu einer Qualitätsdimension („nosokomiale Infektionen“) berichtet wurden, zusammengefasst, indem der Anteil der Indikatoren im jeweiligen Perzentilbereich unter allen berichteten Indikatoren berechnet wurde. Das genannte Problem der „eingeschränkten Wertebereiche“ haben wir so umgangen.

Weiterhin berücksichtigt das Verfahren zum einen implizit die Unsicherheit der Punktschätzer – so würde ein Indikator mit einer Ausprägung von 60% und einem Konfidenzintervall von 55–65% dem Bereich 50–75% zugeordnet. Zum anderen muss davon ausgegangen werden, dass eine eventuelle Fehlzuordnung zu einem unzutreffenden Perzentilbereich in beide Richtungen erfolgen kann – also in eine „zu gute“ oder „zu schlechte“ Kategorie. Wir haben dazu verschiedene Simulationen durchgeführt, die erkennen lassen, dass sowohl bei hohen als auch bei niedrigen Fallzahlen und unterschiedlichen Indikatorausprägungen mit Fehlzuordnungen in beide Richtungen zu rechnen ist – demnach ist es nicht so, dass Kliniken mit niedrigen Fallzahlen tendenziell immer zu gut, solche mit hohen Fallzahlen bei unserer Indexbildung immer zu schlecht bewertet werden. Nur ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlzuordnung natürlich bei kleinen Fallzahlen höher als bei großen Fallzahlen. Die Argumentation der Leserbriefautoren ist für unsere Indexbildung daher insgesamt nicht zutreffend.

Letztlich können wir nur weiterhin dafür plädieren, dass unzureichende Indikatorergebnisse in der externen Qualitätssicherung wie allgemein gefordert nur als Hinweise auf eventuell vorhandene Qualitätsprobleme interpretiert werden sollten. Einzelne Indikatorausprägungen sollten nicht als tatsächlich „schlechte“ Qualität bewertet und zur qualitätsbezogenen Steuerung genutzt werden. Für einen solchen Zweck scheinen viele Indikatoren bisher nicht geeignet zu sein.



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Article published online:
12 May 2023

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