Aktuelle Ernährungsmedizin 2024; 49(03): 236-237
DOI: 10.1055/a-2243-7935
Gesellschaftsnachrichten

Gesellschaftsnachrichten des Verbands der Diätassistenten e.V. (VDD)

Qualitätsverträge als Chance für mehr Ernährungstherapie in Kliniken

Die aktuelle Finanzierung der Krankenhäuser hat erheblichen Einfluss auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten, insbesondere auch im Hinblick auf ernährungstherapeutische Leistungen. Qualitätsverträge zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen könnten die Lage deutlich verbessern, meint VDD-Präsidentin Uta Köpcke [Abb. 1] im Interview.

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Abb. 1 VDD-Präsidentin Uta Köpcke. Quelle: SPUTNIKeins Fotografie/VDD

Frau Köpcke, warum bedarf es der Qualitätsverträge zur Finanzierung der Ernährungstherapie in Kliniken?

Die Ernährungstherapie in Krankenhäusern ist seit Langem nur sehr unzureichend und nicht verlässlich finanziert. Laut Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 teilen sich gesetzliche Krankenkassen und Bundesländer die Finanzierung der Leistungen: Für die Betriebskosten, also auch alle Behandlungskosten, sind die Krankenhäuser zuständig, für Investitionen, beispielsweise Baukosten, die Bundesländer.

Derzeit fehlt die Rückvergütung durch die gesetzlichen Krankenkassen für die Ernährungstherapie weitgehend, also das prozessgeleitete Erfassen von Bedarfen und Umsetzen von Ernährungsinterventionen durch Diätassistentinnen und Diätassistenten bzw. entsprechend qualifizierte Fachkräfte aus der Ökotrophologie/Ernährungswissenschaft (Kasten). Aber was nicht bezahlt wird, ist aus Sicht der Krankenhausbetreiber natürlich unwirtschaftlich und wird häufig daher nicht durchgeführt. Dies führt zu erheblichen Defiziten bei der Versorgung. Dies hat inzwischen auch der Gesetzgeber wahrgenommen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der über die Richtlinien der gesundheitlichen Versorgung und die Finanzierung durch die GKV entscheidet, hat daher im Juli 2022 Möglichkeiten geschaffen, bestimmte Teilbereiche zumindest modellartig zu finanzieren, mit jeweils eigenen Qualitätsverträgen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern. Wie der G-BA in den Tragenden Gründen zu diesem Beschluss anführt, ist ein erheblicher Teil der Patienten und Patientinnen im Krankenhaus – je nach Studienlage werden 20 bis 50 Prozent angegeben – von Mangelernährung betroffen. Aus diesem Grund wurden Diagnostik, Therapie und Prävention von Mangelernährung als Leistungsbereich für Qualitätsverträge aufgenommen.

Ernährungstherapie im System der Fallpauschalen

Die Fallpauschalen stehen für das DRG-System (Diagnosis Related Groups) nach § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Die Eingruppierung in die DRG-Fallpauschale wird insbesondere bestimmt durch die Krankheitsart (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die erbrachten Leistungen (Operationen und Prozeduren). Als Grundlage für Abrechnung der Leistungen im stationären und ambulanten Bereich (z. B. ambulantes Operieren) dient der Operationen -und Prozedurenschlüssel, kurz OPS. Bis dato sind die Leistungen in der Ernährungstherapie nur im OPS-Kodes 8–98j Ernährungsmedizinische Komplexbehandlung eindeutig verankert; der jedoch wird bisher noch nicht vergütet.

Was hat sich damit geändert?

Kliniken und Krankenkassen können jetzt miteinander zeitlich befristete Qualitätsverträge für diesen Bereich schließen. Damit soll erprobt werden, ob sich die Qualität stationärer Behandlungsleistungen über Anreizsysteme zur Einhaltung besonderer Qualitätsanforderungen weiter verbessern lässt. Kliniken haben also viel mehr Freiraum erhalten und können, so sie wollen, die Ernährungstherapie etablieren und dafür entsprechende Leistungen der Krankenkassen aushandeln.

Wie geht das in der Praxis?

Wichtig ist: Vertragspartner von Qualitätsverträgen sind auf der einen Seite die Krankenkasse und auf der anderen Seite der jeweilige Krankenhausträger. Der Vertrag kann nur mit jeder Krankenkasse einzeln geschlossen werden, nicht mit einem Zusammenschluss. Aber die Verhandlung per se kann über Verbünde (wie VDKE) erfolgen. Zu jedem Qualitätsvertrag ist von den Vertragspartnern ein Projektplan zu erstellen, der dann durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) geprüft wird. Er ist Teil der Unterlagen, die zur verpflichtenden Registrierung der Qualitätsverträge beim IQTIG erforderlich sind.

Die Qualitätsverträge sollten klare Vereinbarungen über die angestrebten Qualitätsziele enthalten, außerdem konkrete Qualitätsanforderungen, die für deren Erreichen notwendig sind. Auszuhandelnde Anreize können sowohl finanzieller als auch nicht-monetärer Natur sein. Beispiele für mögliche Anreize sind etwa die Empfehlung des Krankenhauses durch die Krankenkasse, einmalige Zahlungen, leistungsabhängige Vergütungen oder eine Kombination verschiedener Anreizmechanismen. Im Evaluationskonzept des IQTIG finden sich alle Informationen und Hinweise zu den Qualitätsanforderungen, vor allem in Bezug auf Maßnahmen und Interventionen zur Verbesserung der Versorgungsqualität.

Gibt es schon Erfahrungen mit Qualitätsverträgen?

Bisher ist die Anzahl der Qualitätsverträge in anderen Bereichen noch recht überschaubar, da der Abschluss einen nicht unerheblichen Aufwand mit sich bringt. Aber es gibt schon gute erste Erfahrungen mit Gesprächen zu Qualitätsverträgen zur Mangelernährung, z. B. in Tübingen und Leipzig!

Der VDD hat im vergangenen Jahr bereits mehrfach und jüngst am 7. Februar in einer Online-Veranstaltung „VDD live - Qualitätsvertrag zur Diagnostik, Therapie und Prävention von Mangelernährung“ informiert. Die große Resonanz und viele Teilnehmende zeigen uns, dass Diätassistenten sehr interessiert sind. Ins Thema eingeführt und eigene Arbeitsschritte erläutert haben Daniela Schweikert, Diätassistentin, Bereichsleitung Ernährungsmanagement am Universitätsklinikum Tübingen und Lars Selig, Diätassistent, M.Ed., Leiter Ernährungsteam/Ernährungsambulanz am Universitätsklinikum Leipzig. Beide konnten aus Erfahrung berichten und sind der Meinung, die Mühe lohne sich. Qualitätsverträge bieten demnach die Möglichkeit, das Thema Mangelernährung in Kliniken zu platzieren und besser zu positionieren.

Wie erreichen Sie noch mehr Kolleginnen und Kollegen?

Weil der Bedarf für Austausch und noch mehr Informationen offensichtlich groß ist, hat der VDD auch einen Workshop dazu am 13. April in das Programm des VDD-Bundeskongresses aufgenommen. PD Dr. med. Michael Adolph, Daniela Schweikert (beide Tübingen) und Lars Selig (Leipzig) haben ihre Erfahrungen bei der Aushandlung von Qualitätsverträgen geteilt. Neben individuellen Leistungen sind klare Vorgaben zu Prozess und Evaluierung vorhanden, den Interessierten helfen diese Berichte ungemein bei der Überzeugungsarbeit und schließlich der Umsetzung eines Qualitätsvertrages in der eigenen Klinik.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Luise Richard.



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Article published online:
22 May 2024

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