Open Access
CC BY-NC-ND 4.0 · Klin Monbl Augenheilkd 2025; 242(09): 912-919
DOI: 10.1055/a-2620-1956
Klinische Studie

Automatisierte Vorsorgeuntersuchung auf diabetische Retinopathie in einer diabetologischen Ambulanz – Vergleich von 2 auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmen RetCAD und OphtAI

Article in several languages: English | deutsch

Authors

  • Florian Maria Bauer

    1   Augenheilkunde, Klinikum Nürnberg, Standort Nord, Nürnberg, Deutschland
    2   Augenklinik, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Deutschland
  • Annette Sauerbeck

    2   Augenklinik, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Deutschland
    3   Ambulantes BehandlungsCentrum, Diabetologie, Klinikum Nürnberg, Standort Nord, Nürnberg, Deutschland
  • Wolfgang Hitzl

    4   Forschungs- und Innovationsmanagement, Biostatistik, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Österreich
    5   Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Österreich
    6   Forschungsprogramm Experimentelle Ophthalmologie und Glaukomforschung, Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Österreich
  • Nick Piravej

    1   Augenheilkunde, Klinikum Nürnberg, Standort Nord, Nürnberg, Deutschland
    2   Augenklinik, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Deutschland
  • Josef Schmidbauer

    1   Augenheilkunde, Klinikum Nürnberg, Standort Nord, Nürnberg, Deutschland
    2   Augenklinik, Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, Deutschland
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Zusammenfassung

Hintergrund Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bietet sich für die Früherkennung der diabetischen Retinopathie (DR) anhand von Netzhautbildern an. Voraussetzung ist, dass die eingesetzte KI, die unter Studienbedingungen erzielte Performance auch unter Real-World-Gegebenheiten erreicht. Ziel dieser Studie ist es, die auf KI-basierenden Algorithmen RetCAD und OphtAI in der aktuellsten Version für die Vorsorgeuntersuchung auf DR in einer diabetologischen Ambulanz zu testen.

Patienten und Methoden Im Zeitraum von August bis November 2023 wurden 150 Personen mit Diabetes im ambulanten Behandlungszentrum der Diabetologie am Universitätsklinikum rekrutiert. Bei jedem Studienteilnehmer wurden Fundusbilder mit der mobilen Kamera Aurora (Optomed Plc, Oulu, Finnland) in Miosis aufgenommen. Die Aufnahmen wurden vom Augenarzt und von den auf KI basierenden Algorithmen RetCAD Version 2.2.0 (Thirona Retina, Nijmegen, Niederlande) und OphtAI Version 2.3.4 (Groupe Evolucare Technologies, Le Pecq, Frankreich) auf das Vorliegen einer DR untersucht. Der Schweregrad der DR wurde anhand der internationalen Klassifikation eingeteilt. Personen mit Diabetes ohne DR oder einer milden DR wurde eine augenärztliche Kontrolle in einem Jahr empfohlen. Bei Vorliegen einer moderaten, schweren oder proliferativen DR erfolgte eine Überweisung an den behandelnden Augenarzt.

Ergebnisse Bei 123 von 143 (86,0%) Personen mit Diabetes wurde keine DR und bei 10 (7,3%) eine milde DR erkannt. Alle Patienten mit einer moderaten DR 7 (5,0%), einer schweren 2 (1,5%) und einer proliferativen DR 1 (0,7%) wurden als überweisungsbedürftige DR zusammengefasst und stellten einen Anteil von 7,3% dar. Der auf KI basierende Algorithmus RetCAD Version 2.2.0 erreichte eine Sensitivität von 90% und eine Spezifität von 100% für die Erkennung einer überweisungsbedürftigen DR im Vergleich zur augenärztlichen Bildbeurteilung. RetCAD bewertete 98% der Bilder für die Bildanalyse als ausreichend oder besser. Der zweite KI-basierte Algorithmus OphtAI Version 2.3.4 erzielte eine Sensitivität von 70% und eine Spezifität von 100% für die Detektion einer überweisungsbedürftigen DR. Eine Bildanalyse konnte bei allen Aufnahmen durchgeführt werden.

Schlussfolgerung RetCAD erreichte im klinischen Einsatz für das Erkennen einer überweisungsbedürftigen DR die unter Studienbedingungen angegebene Performance. Der zweite Algorithmus OphtAI erkannte weniger Patienten mit moderater DR, was sich in einer geringeren Sensitivität widerspiegelte. Von beiden Algorithmen wurden alle Patienten mit schwerer und proliferativer DR richtig zugeordnet. Die getesteten KI-basierten Algorithmen RetCAD und OphtAI scheinen für den Einsatz in einer Diabetesambulanz beziehungsweise in der Primärversorgung geeignet.

Summary Box

Already known:

  • Diabetic retinopathy is a common complication of diabetes mellitus, so screening for detection and early treatment of DR is critical.

  • The growing number of people with diabetes is placing an increasing burden on the healthcare system.

  • The use of artificial intelligence is well-suited for screening, as retinal imaging combined with an AI-based image analysis algorithm allows for screening examinations to be carried out quickly and resource-consciously.

  • Many studies prove that AI-supported image assessment is equivalent to ophthalmological assessment. However, there is evidence in the literature that the algorithms perform worse under real-world conditions compared to results obtained under study conditions.

Newly described:

  • For this study, the latest versions of two commercially available AI-based algorithms, RetCAD and OphtAI, were tested for the early detection of diabetic retinopathy.

  • The hand-held Aurora retinal camera is recommended, as almost all images could be taken in miosis and evaluated with AI support.

  • RetCAD achieved a sensitivity of 90% and specificity of 100% for the detection of referable DR under real-world conditions.

  • OphtAI achieved a lower sensitivity of 70% and a specificity of 100% for the detection of referable DR. However, all patients with severe and proliferative DR were correctly assigned.

  • With the AI-based algorithms presented here, the number of ophthalmological screening examinations for DR could be reduced by 89%. This would help address the growing number of people with diabetes, while also increasing the capacity for patients with referable DR.

Fazitbox

Bereits bekannt:

  • Die diabetische Retinopathie ist eine häufige Komplikation bei Diabetes mellitus, daher ist die Vorsorgeuntersuchung zur Erkennung und frühzeitigen Behandlung der DR entscheidend.

  • Die steigende Anzahl an Personen mit Diabetes stellt eine immer größere Belastung für das Gesundheitssystem dar.

  • Der Einsatz von künstlicher Intelligenz bietet sich für ein Screening an, da mittels Netzhautkamera und einem auf KI basierendem Algorithmus zur Bildanalyse die Vorsorgeuntersuchung schnell und Ressourcen schonend durchgeführt werden kann.

  • Viele Studien belegen, dass die KI-gestützte Bildbeurteilung der augenärztlichen ebenbürtig ist. Allerdings gibt es Hinweise in der Literatur, dass die Algorithmen unter realen Bedingungen schlechter abschneiden, im Vergleich zu den unter Studienbedingungen erzielten Ergebnissen.

Neu beschrieben:

  • Für diese Studie wurden die aktuellsten Versionen von 2 kommerziell erhältlichen KI-basierten Algorithmen RetCAD und OphtAI für die Früherkennung einer diabetischen Retinopathie getestet.

  • Die handgehaltene Netzhautkamera Aurora ist zu empfehlen, da nahezu alle Aufnahmen in Miosis gemacht und KI-gestützt ausgewertet werden konnten.

  • RetCAD erreichte unter realen Bedingungen eine Sensitivität von 90% und Spezifität von 100% für die Erkennung einer überweisungsbedürftigen DR.

  • Für OphtAI zeigte sich eine geringere Sensitivität von 70% und eine Spezifität von 100% für die Detektion einer überweisungsbedürftigen DR. Es wurden allerdings alle Patienten mit schwerer und proliferativer DR korrekt zugeordnet.

  • Mit den hier vorgestellten KI-basierten Algorithmen ließe sich die Zahl an augenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen auf DR um 89% reduzieren. Dadurch könnte die steigende Anzahl an Personen mit Diabetes bewältigt und gleichzeitig mehr Kapazität für Patienten mit überweisungsbedürftiger DR geschaffen werden.



Publication History

Received: 29 January 2025

Accepted: 13 May 2025

Accepted Manuscript online:
23 May 2025

Article published online:
18 September 2025

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