Gesundheitswesen 2009; 71 - A1
DOI: 10.1055/s-0029-1239051

Wie gut funktioniert menschliche Kooperation? – Aktuelle Studien zur Entwicklung menschlicher Kooperation und ihren Rahmenbedingungen

B Rockenbach 1
  • 1Lehrstuhl für Mikroökonomie, Universität Erfurt

Die Bewältigung vieler gesellschaftlicher wie politischer Probleme ist nur in kooperativer Anstrengung möglich. Oft haben diese Probleme den Charakter eines sozialen Dilemmas: das Beste für die Gesellschaft ist diametral verschieden von dem was für den einzelnen am besten ist. Promiente Beispiele sind der Klimaschutz, die Überfischung der Meere oder die Strapazierung der Altersversorgungs- und Gesundheitssysteme. Gesellschaftlich verantwortliches Handeln steht im Widerspruch zur Ausnutzung des Systems zum eigenen Vorteil. Die Erforschung der menschlichen Kooperation in sozialen Dilemmasituationen ist im Fokus verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen. Zwar zeigt sich, dass der Mensch der „Spitzenreiter“ der Kooperation in der Tierwelt ist, jedoch sind wir in vielen Fällen weit von einer gesellschaftlich „optimalen“ Nutzung der Ressourcen entfernt.

Der Vortrag stellt neueste Entwicklungen zur Kooperationsforschung vor. Zwei Einflussfaktoren haben sich als äußerst wirksam zur Kooperationssteigerung in sozialen Dilemmasituationen erwiesen: die Möglichkeit zur Sanktionierung des Fehlverhaltens ebenso wie zuverlässige Reputationsmechanismen. Gesellschaften, in denen Trittbrettfahrer (sozial) sanktioniert werden, werden bevorzugt und sind im Wettbewerb Gesellschaften, bei denen über gesellschaftliches Fehlverhalten weggesehen wird, überlegen (1).

Aber Sanktionen sind nicht das einzige Mittel zu Kooperationssteigerung. Wenn kooperative Menschen durch ihr Verhalten einen guten Ruf, eine gute Reputation, erlangen, die ihnen in anderem Kontext Vorteile verschafft, so hilft auch dies zur Kooperationssteigerung. Die Studie der Interaktion dieser beiden Mechanismen – Sanktionierung und Reputation – zeigt interessante Ergebnisse. In einer Gesellschaft, in der das soziale Ansehen eine Rolle spielt, geht die Notwendigkeit zu Bestrafung von Trittbrettfahrern stark zurück (2). Sie wird weniger eingesetzt, als ohne Reputationsmechanismen, ohne dass jedoch ganz auf die Möglichkeit zur Bestrafung verzichtet wird. Die abschreckende Wirkung der Strafe und ihre Anwendung in Härtefallen macht sie unersetzlich.

Wie kann eine Gesellschaft Reputation fördern, wenn doch diese so wichtig für menschliche Kooperation ist? Und, inwieweit sind Reputationsmechanismen auf natürliche Weise vorhanden? Die neuste Forschung zeigt hier bemerkenswerte Ergebnisse zur bereits sehr subtilen Präsenz von Reputation, und das nicht nur bei Menschen (3).

Literatur:

[1] Gürerk, Ö., B. Irlenbusch und B. Rockenbach „The Competitive Advantage of Sanctioning Institutions“, Science, 2006, 312, 108–111.

[2] Rockenbach, B. und M. Milinski „The efficient interaction of indirect reciprocity and costly punishment“, Nature, 2006, 444, 718–723.

[3] Milinski, M. und B. Rockenbach „Spying on Others Evolves“, Science, 2007, 317, 464–465.