Rehabilitation (Stuttg) 2010; 49(2): 120-124
DOI: 10.1055/s-0030-1249026
Aus der DGRW

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leitlinien in der medizinischen Rehabilitation

Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) – Stand 2010[1] Practice Guidelines in Medical RehabilitationPosition Paper of the German Society of Rehabilitation Science, DGRW – As of 2010F. Schliehe1 , B. Greitemann1 , I. Kopp2 , W. H. Jäckel1
  • 1Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften
  • 2AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement
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Publication History

Publication Date:
05 May 2010 (online)

Einleitung

Leitlinien werden in der Medizin als wichtiges Qualitätsmerkmal einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung sowie als Mittel für einen schnellen und flächendeckenden Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Praxis gesehen. Der therapeutische Ansatz in der Rehabilitationsmedizin hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem eher erfahrungsorientierten empirischen Ansatz hin zu einem wissenschaftlich fundierten, evidenzbasierten Ansatz entwickelt. Dabei ist unter dem Begriff „evidence based medicine” der „gewissenhafte, ausdrücklich vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten” zu verstehen ([2], S. XIX). Hierzu bildet die Entwicklung von Leitlinien in der medizinischen Rehabilitation eine wichtige Grundlage.

Eine forcierte Entwicklung von Leitlinien in der medizinischen Rehabilitation ist deshalb u. a. von Bedeutung, um

evidenzbasierte Behandlungskonzepte und therapeutische Standards in möglichst vielen Indikationen zu etablieren, eine flächendeckende und bedarfsgerechte Behandlung von Patienten/Rehabilitanden zu sichern, den Patienten/Rehabilitanden nicht nur Behandlungssicherheit, sondern auch Mitwirkungschancen zu geben, dem Leistungsträger und Leistungserbringer die rationale Planbarkeit seiner Ressourcen zu ermöglichen und eine fundierte Grundlage für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitsberufen zu schaffen.

Leitlinien in der medizinischen Rehabilitation sollen somit zur Optimierung der Rehabilitation und damit der gesundheitlichen Versorgung insgesamt beitragen. Konkrete wissenschaftliche Nachweise für den (ökonomischen) Nutzen von Leitlinien sind – ebenso wie bei der Qualitätssicherung und dem Qualitätsmanagement insgesamt – noch relativ gering. Die besonderen Vorteile liegen vor allem in dem beschleunigten Wissenstransfer, in der interdisziplinären Orientierung und Abstimmung der Gesundheitsberufe sowie nicht zuletzt in der Versorgungsgerechtigkeit.

1 Fortschreibung des Positionspapiers der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) von 2002 (vgl. [1]).

Literatur

  • 1 Jäckel WH, Müller-Fahrnow W, Schliehe F. Leitlinien in der medizinischen Rehabilitation – Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften.  Rehabilitation. 2002;  41 (4) 279-285
  • 2 Ollenschläger G, Bucher HC, Donner-Banzhoff N. et al .Hrsg Kompendium evidenzbasierte Medizin – Clinical Evidence Concise.. Aus dem Englischen übersetzt von Michael Hartmann. Bern: Huber, Hogrefe; 2007
  • 3 Gülich M, Wiegele C, Glattacker M. et al . Methodische Qualität von Leitlinien in der Rehabilitation.  In: Deutsche Rentenversicherung Bund, Hrsg. Tagungsband, „Innovation in der Rehabilitation – Kommunikation und Vernetzung”, 18. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium, 9. bis 11. März 2009 in Münster. DRV-Schriften.  2009;  (83) 135-136
  • 4 Tricoci P, Allen JM, Kramer JM. et al . Scientific evidence underlying the ACC/AHA clinical practice guidelines.  Journal of the American Medical Association (JAMA). 2009;  301 831-841
  • 5 Shaneyfelt TM, Centor RM. Reassessment of clinical practice guidelines: go gently into that good night.  JAMA. 2009;  301 (8) 868-869
  • 6 Sniderman AD, Furberg CD. Why guideline-making requires reform.  JAMA. 2009;  301 (4) 429-431
  • 7 Wienke A. BGH: Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten.  GMS Mitt AWMF. 2008;  5 Doc 14, verfügbar unter: http://www.egms.de (Zugriff am 24.8.2009)
  • 8 Hart D. Einleitung und Kommentar.. Baden-Baden: Nomos; 2005: 7-16
  • 9 Johnson L, Stricker RB. Attorney General forces Infectious Diseases Society of America to redo Lyme guidelines due to flawed development process.  J Med Ethics. 2009;  35 283-288

1 Fortschreibung des Positionspapiers der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW) von 2002 (vgl. [1]).

2 In der AWMF sind über 150 medizinische Fachgesellschaften zusammengeschlossen. Die AWMF vertritt Deutschland auch auf internationaler Ebene (Council for International Organizations of Medical Sciences, CIOMS). Vgl. http://www.awmf-online.de. Leitlinien können unter http://www.leitlinien.net abgerufen werden.

3 Vgl.www.leitlinien.de.

4 Einzelheiten, auch zum Stand, vgl.http://www.versorgungsleitlinien.de.

5 Vgl. dazu insbesondere die bisher als „Prozessleitlinien” bezeichneten Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung unterhttp://www.drv-bund.de (Sozialmedizin und Forschung, Reha-Qualitätssicherung).

6 Deutsches Instrument zur methodischen Leitlinien-Bewertung (DELBI) von 2005/2006, ergänzt 2008. DELBI ersetzt die bisherige Checkliste „Methodische Qualität von Leitlinien”. Auch DELBI beurteilt nicht die inhaltliche Angemessenheit von Leitlinien. Vgl.http://www.delbi.de. Weitere Hinweise enthalten der Methoden-Report sowie der Methoden-Report Patientenbeteiligung zum Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (Stand: 2. Auflage, 2007).

7 Vgl. dazu auch den Methoden-Report Patientenbeteiligung (siehe Fußnote 6). Die „Entwicklungsstufen” der AWMF sind nicht mit den üblichen Evidenzklassen identisch, sind aber auch nicht unabhängig davon. Die Entwicklungsstufen beziehen eine zeitliche Dimension mit ein. Stufe 1 wird als kurzfristig, die Stufe 2 als mittelfristig, die Stufe 3 als längerfristig betrachtet in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Evidenz und zusätzlichen Kriterien (alle Elemente einer systematischen Entwicklung).

8 Vgl. dazuhttp://www.awmf-leitlinien.de, Rubrik „Leitlinien-Werkzeuge”.

9 Stand 4. März 2009.

10 Vgl. auch Darstellung der Evidenzgrade im Positionspapier der DGRW von 2002 ([1], S. 280) sowie die Versorgungsleitlinien des Nationalen Programms, die sich auf unterschiedliche, aber ähnliche internationale Klassifizierungssysteme beziehen. Auf eine Wiedergabe unterschiedlicher internationaler Klassifizierungssysteme mit differenzierteren Gliederungen wird hier verzichtet.

11 Dies gilt besonders für einige der nationalen Versorgungsleitlinien, wobei zumeist eigens auf die Rehabilitation hingewiesen wird. Die Nationale Versorgungsleitlinie Chronische KHK enthält ein ausführliches Kapitel zur Rehabilitation.

12 Ohne nicht aktualisierte Leitlinien und ohne angemeldete Leitlinien.

13 Darin sind beispielsweise auch die „Prozess-Leitlinien” der Deutschen Rentenversicherung enthalten (vgl.[3]). Dafür wurden unterschiedliche Quellen (u. a. Internetseiten, postalische Expertenbefragung) für eine Suche nach Leitlinien in der Rehabilitation herangezogen. Eine Veröffentlichung der Untersuchung ist in Vorbereitung.

14 Zum Beispiel betrage die Updatedauer bei der American Heart Association 4,6 bis 8,2 Jahre.

15 Vgl. Urteil Oberlandesgericht Naumburg vom 19. Dezember 2001, Aktenzeichen: 1 U 46/01; Urteil Landgericht Halle vom 16. März 2001, Aktenzeichen: 6 O 468/95. Vgl.[8].

16 Vgl.[9]; Gegenstand waren die Unabhängigkeit der Experten, die Berücksichtigung relevanter Literatur sowie die Patientenbeteiligung.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Wilfried H. Jäckel

Universitätsklinikum Freiburg

Abteilung Qualitätsmanagement und Sozialmedizin

Engelbergerstraße 21

79106 Freiburg im

Breisgau

Email: wilfried.jaeckel@uniklinik-freiburg.de

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