Gesundheitswesen 2010; 72 - V36
DOI: 10.1055/s-0030-1266203

Schulbildung – ein Einflussfaktor bei chronisch entzündlichen Darmerkankungen?

A Hüppe 1, J Kaiser 1, H Raspe 1
  • 1Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck, Lübeck

Hintergrund: Chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind „multifokale“ Erkrankungen. Neben der Entzündung des Darmes und damit einhergehenden Beschwerden ergeben sich regelhaft weitere somatische und psychosoziale Probleme, die zu erheblichen Auswirkungen auf Aktivitäten und Teilhabe in den Bereichen Partnerschaft/Familie, Beruf/Ausbildung und Freizeit führen. Es stellt sich die Frage, ob sich Hinweise auf Unterschiede im Problemprofil von Betroffenen aus unterschiedlichen sozialen Schichten erkennen lassen. Methodik: Im Jahr 2005 wurde bundesweit eine schriftliche Betroffenenbefragung (n=1083) durchgeführt. Der eingesetzte Fragebogen erfasst 21mögliche Problemfelder. Die Befragten wurden nachträglich nach ihrer Schulbildung eingeteilt und eine nach Alter, Geschlecht, Krankheitsaktivität, Diagnose (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) und Mitgliedschaft in der Selbsthilfeorganisation DCCV gematchte Analysegruppe erstellt. Für jeden Responder mit einer geringen Schulbildung (max. Hauptschulabschluss) wurde in der Gruppe der Teilnehmer mit Abitur ein passender „Partner“ gesucht. Ergebnisse: Es konnten insgesamt 120 Paare gebildet werden. Die Analysegruppe ist zu 59% weiblich, im Durchschnitt 45 Jahre alt (SD=13). 64% leiden unter Morbus Crohn, 36% unter Colitis ulcerosa. 45% sind in Remission, 34% weisen eine leichte, 21% eine moderate bis starke Krankheitsaktivität auf. In der Gruppe mit höherer Schulbildung ist der Anteil von Befragten ohne „aktives“ Problemfeld größer (22% vs. 10%). Signifikante Unterschiede in der Auftretenshäufigkeit der abgefragten Problemfelder zeigen sich nur für den Bereich „Informationsbedarf“: Befragte mit niedrigerer Schulbildung wünschen insgesamt zu mehr und zu anderen Themenbereichen Informationen. Die Analyse der Freitextangaben zur Frage nach dem „größten Problem mit der Erkrankung“ ergab zahlreiche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. So belasten z.B. Angst und Ungewissheit über den Krankheitsverlauf mehr Betroffene mit höherer Schulbildung (15% vs. 4%). Diskussion: Bei methodisch strenger Kontrolle möglicher Moderatorvariablen zeigen sich einige Hinweise auf mögliche schichtspezifische Unterschiede. Diese betreffen weniger die Vielfalt der vorliegenden Problembereiche als vielmehr die Wahrnehmung ihrer Bedeutung durch die Betroffenen.