Gesundheitswesen 2010; 72 - V59
DOI: 10.1055/s-0030-1266233

Regionale Unterschiede in der Versorgungsqualität von Kindern und Jugendlichen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen – Ergebnisse aus dem CEDATA-GPGE Register

A Timmer 1, M Birk 2, S Buderus 3, R Behrens 4, A Hauer 5, K Keller 6, S Koletzko 7, B Kretzschmar 8, M Melter 9, C GPGE 10
  • 1LMU München, Neuherberg
  • 2Helmholtz-Zentrum, München
  • 3St.-Marien-Hospital, Pädiatrie, Bonn
  • 4Klinikum Süd, Zentrum für Neugeborene, Kinder und Jugendliche, Nürnberg
  • 5Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Graz
  • 6Deutsche Klinik für Diagnostik, Wiesbaden
  • 7v. Haunersches Kinderspital, München
  • 8St. Georg Klinikum, Eisenach
  • 9Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Regensburg
  • 10Register, Berlin

Hintergrund: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Colitis indeterminata sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Beschwerden und Komplikationen. Bei Kindern besteht ein hohes Risiko für Störungen von Wachstum und Entwicklung. Durch eine frühzeitige adäquate Therapie können Langzeitschäden vermindert werden, während eine verzögerte Diagnosestellung als ein wesentlicher ungünstiger prognostischer Faktor identifiziert wurde. Wir untersuchten Determinanten der diagnostischen Latenz mittels eines deutschsprachigen Registers (CEDATA-GPGE). Methoden: Eingeschlossen wurden 2436 Fälle mit CED, Alter 0–17 Jahre, Meldezeitraum 2004 bis 2009. Prädiktoren einer frühen Diagnose wurden mittels Proportional-Hazards-Regression berechnet. Patienten, die innerhalb von 12 Monaten nach Diagnosestellung in das Register aufgenommen wurden, wurden als inzident betrachtet. Eine relevante statistische Interaktion zwischen Zeitperiode des Symptombeginns (vor 1996, 1996–1999, 2000–2003, 2004–2007, seit 2008) und Prävalenz-Inzidenz-Status wurde im multivariaten Modell berücksichtigt. Ergebnisse: Die mediane Zeit von Beschwerdebeginn zur Diagnosestellung betrug 4 (IQR 2–8) Monate. Morbus Crohn (vs. Colitis ulcerosa, HR 0,62, 95% CI 0,56 bis 0,68), sowie in der Subgruppe der Fälle mit Morbus Crohn Befall des terminalen Ileums (vs. Dickdarmbefall, (HR 0,77, 95% CI 0,67 bis 0,89) waren mit einer späteren Diagnose, ein höheres Alter der Kinder dagegen mit einer früheren Diagnose assoziiert (HR 1,07, 95% CI 1,06 bis 1,08; je Jahr). Überraschend zeigte sich eine deutlich längere diagnostische Latenz in einem der Top-6 Meldezentren (HR 0,63, 95% CI 0,52 bis 0,76). Die Assoziation einer verspäteten Diagnosestellung mit einer hohen Prävalenz von Wachstumsstörungen insbesondere bei Morbus Crohn wurde bestätigt. Schlussfolgerungen: Neben den vorbekannten prognostisch ungünstigen Determinanten einer späten Diagnosestellung (Morbus Crohn, Dünndarmbefall, junge Kinder) wurde die Melderegion als relevanter Faktor identifiziert. Als Ursache denkbar sind infrastrukturelle Probleme (z.B. Erreichbarkeit des spezialisierten Zentrums) oder sozioökonomische Charakteristika in dieser sehr ländlichen Region mit hoher Arbeitslosigkeit. Diese Faktoren untersuchen wir zurzeit genauer.