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DOI: 10.1055/s-0030-1266242
Können Leistungsverlagerungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor in der Morbiditätsbezogenen Gesamtvergütung quantifiziert werden?
Hintergrund: Die sog. Morbiditätsbezogene Gesamtvergütung vertragsärztlicher Leistungen hat u.a. Änderungen des Umfangs vertragsärztlicher Leistungen auf Grund von Verlagerungen zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor zu berücksichtigen (§87a Abs.4 Nr.3 SGB V). Ziel eines Gutachtens war es, das Verlagerungsproblem konzeptionell zu strukturieren sowie Datenquellen und Modelle für eine Schätzung des Verlagerungseffektes zu prüfen. Material und Methoden: Recherchen zur Definition primärer und sekundärer Verlagerungseffekte, zur sektorübergreifenden Nutzbarkeit von unterschiedlich gegliederten Routinedatenquellen, zur Abgrenzung verlagerungsfähiger Leistungsgruppen und kleinräumiger Versorgungsregionen sowie zur Spezifikation von Schätzmodellen. Ergänzend wurden Experten zu ihren Erfahrungen mit sektoralen Leistungsverlagerungen befragt. Ergebnisse: Das Problem wird als sektorübergreifende Verlagerung eines Marktgleichgewichts postuliert. Zur Quantifizierung der Verlagerungen von Marktgleichgewichten und ihrer Determinanten in Zeit und Raum bieten sich Mehrgleichungsmodelle (2SLS) an. Sie berücksichtigen auch Aktivitäten des einen Sektors als Einflussgröße des jeweils anderen. Leistungen, die untereinander in stationär-ambulanter Substitutionsbeziehung stehen, sind als Liste verlagerungssensitiver Indikationen von den Vertragspartnern zu definieren (ausgehend von Caminal et al. 2004). Funktionelle regionale Märkte können indikationsspezifisch durch vierstellige PLZ abgegrenzt werden. Kassen und KVen müssen dafür versichertenbezogene Daten in regionaler Gliederung aus allen Sektoren bereitstellen (§87a Absatz6 SGB V). Deren wechselseitige Passfähigkeit ist nicht hinreichend untersucht. Die Experten nannten als verlagerte Leistungen u.a. Wundmanagement und Gerinnungsmanagement. Diskussion: Der Kompensationsanspruch der Vertragsärzte für verlagerte Leistungen führt nicht zu einer Risikoteilung an der Schnittstelle. Damit wird das Risiko der sektoralen Leistungsverlagerungen auf die Krankenkassen übertragen. Die Beeinflussung der Versorgung durch Schnittstellenmanagement, die Sicherstellung von qualitäts- und kostenoptimierten Versorgungsketten sowie eine ganzheitliche Betreuung der Versicherten werden für die Krankenkassen zunehmend wichtiger. Es lassen sich Verlagerungseffekte qualitativ plausibel darlegen, bisher aber nicht quantifizieren und von anderen Einflüssen auf die ambulant zu versorgende Morbidität (z.B. Umbau ambulanter und stationärer Versorgungskapazitäten, regionaler Versorgungsstrukturen und Leistungsdichten) klar abgrenzen.