Gesundheitswesen 2010; 72 - V131
DOI: 10.1055/s-0030-1266311

Lebenserwartung in und ohne Pflegebedürftigkeit. Ausmaß und Entwicklungstendenzen in Deutschland

R Unger 1
  • 1Zentrum für Sozialpolitik, Bremen

Einleitung/Hintergrund: Wenig bekannt ist über die Lebenserwartung die ohne bzw. in Pflegebedürftigkeit verbracht wird, obwohl derzeit ca. 2,25 Mio. pflegebedürftige Menschen in Deutschland leben und sich diese Zahl, bedingt durch die demografische Alterung, voraussichtlich noch weiter auf ca. 3,36 Mio. im Jahr 2030 erhöhen wird. In dem Beitrag wird daher der Frage nachgegangen, wie hoch die periodenbezogene Lebenserwartung die ohne bzw. in Pflegebedürftigkeit zu erwarten ist in Deutschland ausfällt und präsentiert erstmals anhand einer Datengrundlage, welchen Entwicklungen sie zwischen den Perioden 1999–2003 und 2004–2008 unterworfen ist. Hierbei steht vor allem im Vordergrund, ob – analog der Lebenserwartung in Gesundheit – auch von einer Ausdehnung der gesunden Lebensjahre gesprochen werden kann und damit davon, ob sich die Lebensjahre in Pflegebedürftigkeit auf einen kürzeren Zeitraum vor dem Tod komprimiert haben („Kompression der Morbidität“). Material und Methoden: Die Analyse basiert auf den Routinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK), die nach der Methode des Prävalenzraten-Verfahrens von Sullivan (1971) ausgewertet werden. Insgesamt wurden für die Analysen Informationen der Jahre 1999–2008 aus den pseudonymisierten GEK-Daten von durchschnittlich 1,11 Mio. Personen pro Jahr ab Alter 60 genutzt, die Mitglieder der GEK waren oder sind. Davon sind im angegebenen Untersuchungzeitraum durchschnittlich ca. 14 Tsd. Personen pro Jahr pflegebedürftig nach SGB XI. Weiterhin kann für die Analysen auf ca. 57 Tsd. Sterbefälle zwischen 1999 und 2008 zurückgegriffen werden. Ergebnisse: Die Analysen liefern den positiven Befund, das Männer und Frauen in Deutschland nicht nur mehr Lebensjahre erleben, sondern auch mehr Lebensjahre frei von Pflegebedürftigkeit verbringen. Mit diesen zusätzlichen Lebensjahren insgesamt geht jedoch auch einher, dass sich die Lebensjahre in Pflegebedürftigkeit weiter ausgedehnt haben. Mit anderen Worten kam es relativ betrachtet nicht zu einer Kompression der Pflegebedürftigkeit auf einen kürzeren Abschnitt vor dem Tod.