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DOI: 10.1055/s-0030-1266330
Die Assoziation zwischen retrospektiv berichteter Kindesmisshandlung und Depressivität – eine allgemeinbevölkerungsbasierte Studie
Theoretischer Hintergrund: Besonders frühkindliche kritische Lebensereignisse werden für eine lebenslang erhöhte Vulnerabilität für psychische Erkrankungen verantwortlich gemacht. Die vorliegende Analyse untersucht den Zusammenhang zwischen dem selbst berichteten Erleben kindlicher Misshandlung und dem Auftreten depressiver Symptomatik im Erwachsenenalter. Es wird angenommen, dass das Erleben frühkindlicher traumatischer Erfahrungen die Vulnerabilität für depressive Störungen erhöht. Mit dem „Childhood Trauma Questionnaire“ (CTQ) werden retrospektiv emotionale und körperliche Vernachlässigung sowie emotionaler, körperlicher und sexueller Missbrauch erfasst. Methodik: 1861 Probanden (29–89 Jahre, Stand Oktober 2009) der epidemiologischen Allgemeinbevölkerungsstudie „Study of Health in Pomerania“ (SHIP) wurden in der laufenden Studie SHIP-LEGENDE (Life-Events and Gene-Environment-Interaction in Depression) hinsichtlich Misshandlungen in der Kindheit (CTQ), aktueller Depressivität (BDI-II) und psychischer Störungen (DIA-X) befragt (Stand Oktober 2009). Ergebnisse: Die präliminäre Analyse ergab, dass Personen mit Misshandlungserfahrungen im Kindesalter signifikant höhere Werte aktueller depressiver Symptomatik aufweisen als die Kontrollgruppe (für alle CTQ-Kategorien p ≤0,001). Es zeigt sich, dass die Assoziation zwischen Misshandlung im Kindesalter und Depressivität durch Alter und Geschlecht beeinflusst ist. Frauen berichten über signifikant mehr Depressivität (p<0,000) sowie häufiger über emotionalen (p<0,000) und sexuellen (p<0,000) Missbrauch, während Männer häufiger körperlichen Missbrauch (p=0,006) und körperliche Vernachlässigung (p=0,001) schildern. Die Assoziation zwischen Misshandlungen und Depressivität ist bei jüngeren Personen (bis 44 Jahre) hoch signifikant (p<0,000), während bei älteren Männer dieser Zusammenhang nur beim CTQ-Gesamtwert (r=0,108, p=0,029) und bei körperlicher Vernachlässigung (r=150, p=0,003) gilt. Bei älteren Frauen sind die beschriebenen Zusammenhänge ebenfalls nachzuweisen (Ausnahme: sexueller Missbrauch). Die teststatistische Überprüfung der DSM-IV Diagnosen einer „lifetime depression“ stehen noch aus. Schlussfolgerung: Selbstberichtete Misshandlungen im Kindesalter sind mit dem Auftreten depressiver Symptomatik im Erwachsenenalter assoziiert. Die Ergebnisse deuten an, dass bei einzelnen Misshandlungskategorien (z.B. körperlicher Missbrauch) Geschlecht und Alter einen differenziellen Einfluss auf diese Assoziation ausüben.