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DOI: 10.1055/s-0030-1266349
„He jit et jo nix andres“ – Kleinräumige Disparitäten im Nahrungs- und Suchtmittelangebot als kontextuelle Barrieren für einen gesunden Lebensstil am Beispiel Köln
Einleitung: Zunehmend widmen sich auch hierzulande Sozialmediziner und Epidemiologen der Frage, inwiefern die soziale Wohnumwelt die Gesundheit des Individuums beeinflussen kann. Auf Basis eines theoretischen Modells zur Umweltgerechtigkeit wird mittels eines Geoinformationssystems untersucht, ob sich der schlechtere Gesundheitszustand in sozial benachteiligten Wohngebieten über kleinräumige Disparitäten im Nahrungs- und Suchtmittelangebot erklären lässt. Material und Methoden: Mittels indexbasierter und faktorenanalytischer Analysen wurden 18 soziostrukturell differierende Sozialräume aus dem Kölner Stadtgebiet ausgewählt. In diesem rund 90.000 Einwohner umfassenden Gebiet wurden gesundheitsrelevante Points of Sale (POS) durch eine vollständige Begehung erfasst, durch ein Geographisches Informationssystem (GIS) kartiert und mit soziostrukturellen Indikatoren des Sozialraumes korreliert. Konkret wurden in Rahmen dieser Vollerhebung im November 2009sämtliche POS mit gastronomischem Fast-Food-Angebot („Fast-Food-POS“; als Indikator für ernährungsphysiologisch ungesunde Versorgungsstrukturen), POS mit einer Produktpalette von mindestens 15 Sorten an unverarbeitetem Obst und/oder Gemüse („Vollwert-POS“; als Indikator für ernährungsphysiologisch gesunde Versorgungsstrukturen), POS für alkoholische Getränke („Alkohol-POS“) sowie POS für Tabakwaren („Tabak-POS“; also Zigarettenautomaten, Tankstellen usw.) erfasst. Ergebnisse: Insgesamt wurden in den 18 Sozialräumen 68 Fast-Food-POS identifizert. Gleichzeitig befanden sich im Untersuchungsgebiet 39 Vollwert-POS, 343 Alkohol-POS sowie 317 Tabak-POS. Sowohl für die Dichte eines ungesunden Nahrungsangebotes (Fast-Food-POS) als auch für die Dichte des Tabakangebotes (Tabak-POS) bestand ein signifikanter Zusammenhang mit der Sozialstruktur des Wohnumfelds: In Wohnvierteln mit niedrigem Einkommens- und Bildungsniveau und hoher Sozialhilfequote ist das Angebot ungesunder Waren deutlich höher. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson bewegte sich dabei zwischen 0,47 und 0,70 (p<0,05). Soziostrukturell benachteiligte Sozialräume wiesen tendenziell ebenso ein höheres Alkoholangebot und vice versa ein geringeres Angebot an unverarbeitetem Obst und Gemüse auf. Allerdings waren diese Zusammenhänge nicht derart ausgeprägt (0,24<0,46; 0,05 <0,34). Schlussfolgerungen: Die hier erstmals vorgestellten Daten belegen für soziostrukturell benachteiligte Wohnviertel eine ebenso kontextuelle Benachteiligung. So ist es für deren Bewohner schwieriger, gesunde Nahrungsmittel zu beziehen. Gleichzeitig ist dort die Präsenz und Verfügbarkeit riskanter Nahrungs- und Suchtmittel deutlich höher.