Gesundheitswesen 2010; 72 - V281
DOI: 10.1055/s-0030-1266487

Die Funktion des Apothekers

A Henkel 1
  • 1Universität Bielefeld, Berlin

Einleitung/Hintergrund: Die Funktion des Apothekers in der öffentlichen Apotheke hat sich in den vergangenen einhundertfünfzig Jahren entscheidend verändert. Die Veränderung wird mit diesem Beitrag aus soziologischer Perspektive beleuchtet. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Verwendung von Pharmaka zunächst unwahrscheinlich ist: Die traditionellen Tränke früherer Zeiten sind in ihrer Identität und Qualität für den Laien zunächst ebenso wenig beurteilbar, wie die heutigen kleinen, weißen Pillen. Seit dem Mittelalter und bis Ende des 19. Jahrhunderts liegt die Funktion des Apothekers in der Bearbeitung dieser Unwahrscheinlichkeit. Der Apotheker garantiert qua Rolle Identität und Qualität der abgegebenen Arzneimittel. Im Unterschied zu para-pharmazeutischen Rollen ist er auf die Erfüllung dieser Erwartung politisch-rechtlich verpflichtet, wird kontrolliert und gegebenenfalls auch sanktioniert. Material und Methoden: Die Arbeit basiert empirisch auf einer Sekundärauswertung pharmaziehistorischer Literatur sowie einer eigenen Dokumentenanalyse der Pharmazeutischen Zeitung 1975–2008. Ergebnisse: Ende des 19. Jahrhunderts verliert die Apothekerrolle ihre traditionelle Kernfunktion. Diese Katastrophe liegt weniger in der industriellen Herstellung – diese gab es bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts – sondern im Prinzip der Originalverpackung: Denn indem über die Originalverpackung deren Inhalt bezeichnet und auf dessen Hersteller bezogen werden kann, entfällt die Notwendigkeit einer persönlichen Garantieleistung durch den Apotheker. Reguliert werden nun das Arzneimittel selbst sowie der pharmazeutische Hersteller. Welche Funktion bleibt für den Apotheker? Diskussion/Schlussfolgerungen: Bezogen auf die Kernproblematik der Herstellung von Vertrauen in die Identität und Qualität von Arzneimitteln ist der Apotheker weitgehend irrelevant geworden. Gleichwohl ergibt sich aus der Komplexitätssteigerung des Arzneimittelbereichs, die ebenfalls mit der Umstellung auf Fertigarzneimittel einhergeht, die Notwendigkeit ihrer Handhabung. Aufgrund regionaler Verbreitung, sozial vergleichsweise niedrigschwelliger Zugänglichkeit und guter Ausbildung bietet die Apothekerrolle gute Voraussetzungen, um diese neue Funktion zu übernehmen.