Gesundheitswesen 2010; 72 - P41
DOI: 10.1055/s-0030-1266549

Prädiktoren psychischer Gesundheit teil- und vollzeitbeschäftigter Lehrerinnen

R Seibt 1, A Matz 1
  • 1Technische Universität Dresden, Dresden

Ziel: Die gesundheitliche Situation der Lehrer ist nach wie vor durch einen hohen Anteil psychischer Beeinträchtigungen gekennzeichnet und spiegelt für teil- (TZ) und vollzeitbeschäftigte (VZ) Lehrkräfte inkonsistente Befunde wider. Für beide Beschäftigtengruppen wurde bei Lehrerinnen der Zusammenhang arbeits-, personen- und physischer gesundheitsbezogener Faktoren und deren Prädiktoreffekte zur psychischen Gesundheit untersucht. Methodik: Bei 630 Lehrerinnen –263 in TZ und 367 in VZ (Durchschnittsalter: 46±7 Jahre) – erfolgte im Rahmen erweiterter arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen die Erhebung von psychischer Gesundheit (GHQ-12) sowie Arbeitsbedingungen und -anforderungen (lehrerspezifische Berufsanamnese; soziale und schulhygienische Bedingungen: Rudow-Fragebogen) und Komponenten der physischen Gesundheit (somatische Erkrankungen (WAI 3), Beschwerden (BFB), kardiovaskuläre Risikofaktoren: Blutdruck, Body-Mass-Index, Waist-Hip-Ratio, Fitness). Als personenbezogene Moderatorvariable wurden Verausgabungs-Belohnungs-Verhältnis (ERI-Q), Erholungsunfähigkeit (FABA-EU) und Kohärenzerleben (SOC-L9) berücksichtigt. Ergebnisse: TZ- geben gegenüber VZ-Lehrerinnen eine um sechs Stunden höhere wöchentliche Arbeitszeit an. Im Gesundheitszustand ergeben sich keine beschäftigungsbezogenen Gruppenunterschiede: 82% der Lehrerinnen geben stabile psychische Gesundheit an. Durchschnittlich liegen zwei Erkrankungen (meist Stütz- und Bewegungsapparat und Herz-Kreislauf-System) und zwei kardiovaskuläre Risikofaktoren vor, die mit Ausnahme des Blutdruckes (erhöhte Werte: TZ: 48%; VZ: 53%) gegenüber der Allgemeinbevölkerung günstigere Ausprägungen aufweisen. Lehrerinnen sind seltener adipös (12%) und haben bessere Fitness (46%). Für Erholungsunfähigkeit und Kohärenzerleben besteht ebenfalls kein Gruppenunterschied; aber 1/3 der Lehrerinnen berichtet auffällige Erholungswerte. Arbeitsbezogene Faktoren (r=.01-.14) und kardiovaskuläre Risikofaktoren (r=.02-.04) korrelieren mit psychischer Gesundheit nur sehr gering; somatische Erkrankungen (r=.24) und Beschwerden (r=.44) sowie Verausgabungs-Belohnungs-Verhältnis, Erholungsunfähigkeit und Kohärenzerleben empirisch bedeutsam (r=.23-.36); Beschäftigungsumfang und Alter wirken sich auf diese Zusammenhänge nicht aus. Als bedeutsame Prädiktoren zur Erklärung der psychischen Gesundheit erwiesen sich somatische Beschwerden, Verausgabungs-Belohnungs-Verhältnis, Erholungsunfähigkeit und Kohärenzerleben (Varianzaufklärung: 31%); Beschäftigungsumfang und Arbeitsbedingungen sind unbedeutsam. Schlussfolgerung: Nicht arbeitsbezogene, sondern personenbezogene Faktoren scheinen als Bewältigungsstil und Ressource entscheidend für die Ausprägung der psychischen Gesundheit zu sein, die neben den Gründen, die zur TZ-Beschäftigung geführt haben, weiterführend bei Analysen zur Lehrergesundheit einbezogen werden müssen.