Gesundheitswesen 2010; 72 - P74
DOI: 10.1055/s-0030-1266581

Prädiktoren für die Entstehung von Kopfschmerzen und Ängstlichkeit/Depressivität im Kindes- und Jugendalter – Eine bidirektionale Betrachtung

J Gaßmann 1, H van Gessel 1, B Kröner-Herwig 2
  • 1Georg-Elias-Müller Institut für Psychologie der Universität Göttingen, Göttingen
  • 2Elias-Müller Institut für Psychologie der Universität Göttingen, Göttingen

In der bisherigen Forschung wurden wiederholt Zusammenhänge zwischen Kopfschmerz und Ängstlichkeit/Depressivität bei Kindern und Jugendlichen beschrieben, wobei die Wirkrichtung nach wie vor ungeklärt ist. Im Rahmen einer angenommenen bidirektionalen Beeinflussung bestand die Vermutung, dass wiederkehrende Kopfschmerzen ein Risikofaktor für die Inzidenz von ängstlich-depressiven Symptomen darstellen, als auch, dass psychologische Variablen im Sinne von Erlebensauffälligkeiten (ängstlich-depressive Symptome) das Risiko für die Inzidenz von pädiatrischen Kopfschmerzen steigern. Ein dysfunktionales Stresscoping, sowie das Alter der Kinder wurden als potenzielle Mediatorvariablen in die Modelle integriert. Im Rahmen der vom BMBF geförderten epidemiologischen Längsschnittstudie zu pädiatrischem Kopfschmerz „Kinder, Jugendliche und Kopfschmerz“ (KiJuKo) wurden 8800 Familien in vier jährlichen Erhebungswellen (Welle 1: 2003, Welle 2: 2004, Welle 3: 2005, Welle 4: 2006) postalisch Fragebögen für die Eltern und Kinder (ab 9 Jahren) zugesandt. Die eingesetzten Fragebögen wurden für dieses Projekt von der Arbeitsgruppe nach umfangreichen Literaturrecherchen selbst entworfen. Die vorgestellten Daten beziehen sich auf die 2. und 4. Welle und stellen Selbsteinschätzungen der Kinder dar. Ergebnisse der durchgeführten binär logistischen Regressionsanalysen zeigen, dass häufiger auftretende ängstlich-depressive Symptome mit einer 1,5fach und dysfunktionales Stresscoping mit einer 1,3fach erhöhten Chance, innerhalb von 2 Jahren Kopfschmerzen zu entwickeln bei den Jungen einhergeht. Bei den Mädchen wirkte sich nur das dysfunktionale Stresscoping (OR=1,3; 95% KI=1,01–1,70) auf die Entstehung von rekurrierenden Kopfschmerzen aus. Bei der entgegengesetzten Betrachtung möglicher Ursache-Folge- Beziehungen konnte festgestellt werden, dass rekurrierende Kopfschmerzen (♂: OR=1,8; 95% KI=1,24–2,69; ♀: OR=1,7; 95% KI=1,09–2,67) und dysfunktionales Stresscoping (♂: OR=1,9; 95% KI=1,44–2,53; ♀: OR=1,4; 95% KI=1,04–2,00) die Chance für die Inzidenz von ängstlich-depressiven Symptomen erhöhen. Bidirektionale Modelle, die eine wechselseitige Beeinflussung von Variablen postulieren, können durch vorliegende Daten gestützt werden.