Gesundheitswesen 2010; 72 - P183
DOI: 10.1055/s-0030-1266690

Infertilität bei Erwachsenen nach Chemo- und Strahlentherapie im Kindes- und Jugendalter: Eine nationale Registerstudie

C Hohmann 1, T Keil 1, S Reinmuth 1, R Rendtorff 1, S Willich 1, G Henze 1, A Borgmann-Staudt 1
  • 1Charité – Universitätsmedizin, Berlin

Hintergrund: Themen, wie ein späterer Kinderwunsch, die die langfristige Lebensqualität kinderonkologischer Patienten betreffen, sowie eine frühzeitige Aufklärung über mögliche Fertilitätsschäden durch die Therapie und fertilitätserhaltende Maßnahmen, rücken bei steigenden Überlebensraten zunehmend in den Fokus von onkologischen Patienten und Therapeuten. Ziele dieser deutschlandweiten Registerstudie waren u.a. die Erhebung der von ehemaligen kinderonkologischen Patienten berichteten Aufklärungsrate über mögliche Fertilitätsschäden bzw. fertilitätserhaltender Maßnahmen vor Beginn der Behandlung und die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen onkologischer Therapie und späterer Infertilität. Methoden: 2754 (53% weiblich) ehemalige kinderonkologische Patienten, die im Deutschen Kinderkrebsregister (DKKR) registriert waren, nahmen an der Fragebogenerhebung teil. Für 2516 Teilnehmer wurden die kumulativen Medikamentendosen anhand von Therapieprotokollen ermittelt. Mittels logistischer Regression wurde der Einfluss verschiedener Medikamente und Bestrahlungen auf die Fruchtbarkeit der Teilnehmer überprüft. Ergebnisse: 17% der Teilnehmer gaben an, bereits eine Schwangerschaft empfangen/gezeugt zu haben, was je nach Altersgruppe bis zu 50% unter der Allgemeinbevölkerung liegt. 59% erinnerten sich nicht daran, vor der Therapie Informationen über Infertilitätsrisiken oder fertilitätserhaltende Maßnahmen erhalten zu haben. Infertilität war v.a. assoziiert mit Beckenbestrahlung [Frauen: adjustiertes Odds-Ratio (aOR) 19,80, 95% Konfidenzintervall (95%-KI), 4,17–94,06; Männer: aOR 10,80, 95%-KI 1,02–114,42] und postpubertärem Status bei Diagnose [Frauen: aOR 2,01, 95%-KI 0,94–4,30; Männer: aOR 2,16, 95%-KI 1,04–4,46]. Für die meisten der untersuchten Chemotherapeutika zeigten sich erhöhte, jedoch nicht statistisch signifikante, Risikoschätzer. Schlussfolgerung: Da sich weniger als die Hälfte der ehemaligen kinderonkologischen Patienten an eine Aufklärung über Fertilitätsrisiken vor Therapiebeginn erinnerten, sollten Ausführlichkeit, Art und Nachhaltigkeit der Aufklärung weiter verbessert werden. Risikofaktoren für Infertilität, insbesondere Beckenbestrahlung und postpubertärer Status bei Therapiebeginn, sollten bei der Beratung der Kinder und Eltern vor Beginn einer pädiatrisch-onkologischen Therapie, auch bezüglich der Aufklärung über fertilitätserhaltende Maßnahmen, adäquat berücksichtigt werden.