Rehabilitation (Stuttg) 2010; 49(6): 343-344
DOI: 10.1055/s-0030-1268486
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Qualitätsentwicklung in der Rehabilitation

Quality Development in RehabilitationF. Schliehe, W. H. Jäckel
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Publication Date:
07 December 2010 (online)

In diesem Schwerpunktheft stehen Beiträge zur Qualitätssicherung und zum Qualitätsmanagement in der medizinischen Rehabilitation im Vordergrund. Beide Ansätze der Qualitätsentwicklung sind sich ergänzende und aufeinander bezogene Strategien der Weiterentwicklung und Optimierung von Rehabilitationsleistungen. Mit der (externen) Qualitätssicherung sind vor allem Methoden angesprochen, die einrichtungsübergreifende Vergleiche ermöglichen und damit zu einem qualitätsorientierten Wettbewerb anregen sollen. Diese Aufgabe wird in Deutschland insbesondere von den Rehabilitationsträgern wahrgenommen. Das (interne) Qualitätsmanagement ist primär auf die einrichtungsbezogene Organisationsentwicklung in der Verantwortung der Einrichtungen ausgerichtet und soll eine bestmögliche, effiziente Leistungserbringung gewährleisten. Beide Strategien haben eine besondere Verankerung im Rehabilitationsrecht gefunden, aus der einerseits die arbeitsteilige Verantwortung von Trägern und Leistungserbringern hervorgeht und andererseits zu entnehmen ist, dass die Qualitätsaufgaben nur gemeinsam zu lösen sind.

Qualitätsfragen standen in der Rehabilitation bereits von je her im Fokus, sie rückten aber in den letzten Jahren immer stärker in den Vordergrund – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen insgesamt. Mit der Intensivierung der Rehabilitationsforschung in den 1990er Jahren wurde schnell deutlich, dass nicht nur Wirksamkeit und Konzeptentwicklung in der Rehabilitation wichtige Bezugspunkte darstellen, sondern dass ebenso der Prozess der Optimierung durch qualitätsfördernde Strategien zentrale Bedeutung hat, weil diese dazu beitragen, wissenschaftliche Ergebnisse mit umzusetzen. Da geeignete Instrumente der Qualitätssicherung für den Vergleich von Einrichtungen weitgehend fehlten, wurde diese selbst Gegenstand der Forschung, nicht zuletzt auch aufgrund der Initiative und Förderung durch die Träger der Rehabilitation. Während in der Entwicklung der Qualitätssicherung vor allem die Unterstützung durch wissenschaftliche Studien gefragt war, standen beim Qualitätsmanagement vor allem Strategien im Vordergrund, die bereits in anderen Dienstleistungssektoren Anwendung fanden. Somit kam es hier vor allem darauf an, diese auf den Rehabilitationssektor zu übertragen und angemessen zu adaptieren.

Qualitätsfragen in der Rehabilitation werden nicht nur in dieser Zeitschrift immer wieder behandelt, sondern auch auf den rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquien regelmäßig diskutiert. In diesem Jahr war die „Qualität in der Rehabilitation” das Leitthema des Kolloquiums, was sich in mehreren zentralen Plenarveranstaltungen niederschlug. Die Herausgeber haben dies mit zum Anlass genommen, ein Schwerpunktheft zur Qualitätsentwicklung in der Rehabilitation zu gestalten. Aus diesem Grunde enthält diese Ausgabe mehrere Beiträge, die auf Vorträgen des Kolloquiums beruhen und unterschiedliche Facetten der Qualitätssicherung beleuchten.

Der Beitrag von Jäckel [1] bewertet die Qualitätsentwicklung seit Einführung der Qualitätssicherungsprogramme durch die Rehabilitationsträger. Er nimmt dabei Bezug auf einen umfassenden Qualitätsbegriff, den das bekannte amerikanische Institute of Medicine für das Gesundheitswesen entwickelte. Neben der Darstellung des Entwicklungsstandes hinterfragt der Beitrag aber auch den hohen Aufwand, der für die Qualitätssicherung und das Qualitätsmanagement zu erbringen ist. Die Weiterentwicklung von Qualitätssystemen erfordere eine ständige Reflexion der bisherigen Verfahren und Methoden sowie eine angemessene Finanzierung des qualitätsbezogenen Aufwands. Auch wird dafür plädiert, die vorhandenen Datenmengen zur Qualitätssicherung in der Rehabilitation für die Öffentlichkeit stärker nutzbar zu machen und regelmäßig einen Nationalen Qualitätsbericht für den Bereich der Rehabilitation anzustreben.

Der Beitrag von Klosterhuis et al. [2] gibt einen aktuellen Überblick über das Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung. Dabei werden wesentliche Bausteine des Programms wie die Rehabilitandenbefragung und das Peer-Review-Verfahren mit aktuellen Ergebnissen dargelegt. Insgesamt überwiegen positive Ergebnisse. Es wird ferner verdeutlicht, welchen Stellenwert die Klassifikation therapeutischer Leistungen sowie die von der Rentenversicherung mit wissenschaftlicher Unterstützung entwickelten Therapiestandards im Rahmen des Programms haben. Auch der Stand der Qualitätssicherung in der beruflichen Rehabilitation wird referiert. Derzeit findet eine Ausdehnung des Programms auf die ambulante Rehabilitation sowie auf die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen statt. Die Standards, Methoden und Verfahren der Qualitätssicherung sollen laufend an neue wissenschaftliche und empirische Erkenntnisse angepasst werden.

Qualitätssicherungsprogramme beziehen sich bisher in der Regel auf den Kern der stationären oder ambulanten Behandlungsphase. Der Beitrag von Mau [3] geht darüber hinaus und reflektiert die Bedeutung von Schnittstellen zwischen verschiedenen Akteuren und Versorgungsbereichen für die Qualitätssicherung. Der Beitrag bezieht sich deshalb exemplarisch auf Studien, die Schnittstellen analysieren oder Vernetzungsaktivitäten untersuchen. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst der Zugang zur Rehabilitation über Vertragsärzte sowie über betriebliche Kontexte. Im Weiteren werden die inhaltliche Vernetzung durch medizinisch-berufliche Orientierung sowie die Folgen von Kompetenz- und Aufgabenverteilungen im Rehabilitationsteam behandelt. Dabei wird auch ein Bezug zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement hergestellt. Als weitere Schnittstelle wird die Phase nach der Entlassung aus der Rehabilitation (Nachsorge) und die stufenweise Wiedereingliederung behandelt. Der Beitrag betont, dass insbesondere die Patientenorientierung sowie die partizipative Entscheidungsfindung eine stärkere Vernetzung der Prozesse erforderlich machen, die durch Forschung und Qualitätssicherung zu begleiten ist. Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für Qualitätssicherungsprogramme.

Der Beitrag von Grande und Romppel [4] thematisiert die Qualität in der Rehabilitation aus der Sicht der Rehabilitanden. Ausgangspunkt ist, dass die Sichtweise von professionellen Akteuren, die in der Regel die Qualitätskonzepte definieren, nicht identisch ist mit derjenigen der Patienten bzw. Rehabilitanden. Diese haben eigene, subjektive Vorstellungen über Qualität, die bisher zu wenig Beachtung fanden und untersucht wurden. In den subjektiven Qualitätskonzepten sehen die Autoren nicht nur eine „wichtige Ergänzung ganzheitlicher Qualitätsmessungen”, sondern eine Chance zur Verbesserung der Patientenorientierung sowie zur Weiterentwicklung der Rehabilitationsangebote und ihrer Qualität.

Der Beitrag von Enge et al. [5] beschäftigt sich mit der Einführung des Qualitätsmanagements in der medizinischen Rehabilitation und den damit verbundenen Herausforderungen für die Einrichtungen. Durch die gesetzliche Verpflichtung zur Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen einschließlich Zertifizierungspflicht stehen die Einrichtungen vor Herausforderungen, die über den bisherigen Rahmen hinausgehen. Die Autoren betrachten das Qualitätsmanagement als einen Prozess der Organisationsentwicklung in der Tradition des Total Quality Managements. Es werden nicht nur Entscheidungskriterien für die externe Unterstützung, sondern auch Qualitätsanforderungen für die Organisationsberatung aus der Sicht praktischer Erfahrungen aufgezeigt und diskutiert.

Die Herausgeber der Zeitschrift hoffen, dass mit diesem Schwerpunktheft notwendige und zum Teil bereits angelaufene Weiterentwicklungen – auch zur Stärkung der Rehabilitandenorientierung – weiter intensiviert werden. Dabei können die bisherigen Entwicklungen durchaus als vorbildhaft für das Gesundheitswesen gelten. Jedoch sollte der damit verbundene Aufwand bei zukünftigen Entwicklungen stärker in die Überlegungen einbezogen werden.

Literatur

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Dr. Ferdinand Schliehe

An der Blankenburg 18

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