Aktuelle Ernährungsmedizin 2011; 36 - P4_10
DOI: 10.1055/s-0031-1276789

Fatigue bei onkologischen Patienten unter Chemotherapie – Welche Rolle spielt die Kachexie?

N Stobäus 1, K Kulka 2, M Neubauer 1, S Küpferling 2, JD Schulzke 1, K Norman 2
  • 1Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin
  • 2Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charitéplatz 1, 10117 Berlin

Einleitung: Fatigue ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen bei onkologischen Patienten, das als subjektives Gefühl der Ermüdung, Erschöpfung oder als Mangel an Energie definiert wird. Das Ziel der Studie war, Determinanten der Fatigue unter Berücksichtigung der Kachexie bei onkologischen Patienten unter Chemotherapie zu untersuchen.

Methoden: 145 Tumorpatienten (77männlich; 60±11 Jahre; Tumorerkrankung: GI-Trakt: n=81, Geschlechtsorgane/Brust: n=27, Atemwege/Lunge: n=16, Kopf/Halstumore: n=7; sonstige: n=14) unter Chemotherapie wurden untersucht. Die Beurteilung der Fatigue erfolgte mithilfe des Brief Fatigue Inventory (BFI), Werte zwischen 30 und 40 ergeben eine Fatigue mittlerer Ausprägung, wobei Werte über 70 auf eine schwere Symptomatik hindeuten. Der Ernährungszustand wurde mit dem Patienten-generierten Subjective Global Assessment (PG-SGA) bewertet. Zusätzlich wurde der EORTC QLQ-C30 verwendet, um Symptome anhand der Symptomskalen (Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen, Atemnot, Schlaflosigkeit, Appetitverlust, Konstipation, Diarrhoe) zu erfassen. Neben Alter, Geschlecht und klinischen Variablen (Stadium der Erkrankung, Dauer der Erkrankung, Dauer der Chemotherapie, Anzahl der Nebenerkrankungen) wurden Kachexie sowie die Symptomskalen des EORTC in einer GLM-Regressionsanalyse als mögliche Determinanten der Fatigue untersucht.

Ergebnisse: Die Prävalenz einer mittleren bis schweren Ausprägung der Fatigue betrug 47,6%, wobei kachektische Patienten (PG-SGA B/C, 33,2%) signifikant häufiger eine mittlere bis schwere Fatigue-Symptomatik im Vergleich zu Wohlernährten aufwiesen (75% vs. 34%, Chi2 p<0,001). Determinanten für die Fatigue waren Schlaflosigkeit (geschätzte Effektgröße: 31,7%, p<0,001), Kachexie (18,4%, p=0,006), Schmerzen (16,2%, p=0,01) und ein Appetitverlust (11,4%, p=0,031). Alter, Geschlecht und klinische Variablen zeigten hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die Fatigue.

Schlussfolgerung: Bei onkologischen Patienten unter Chemotherapie erwies sich neben der Schlaflosigkeit die Kachexie als stärkste Determinante für die Fatigue. Die Behandlung der Kachexie führt möglicherweise neben einer Verbesserung des Ernährungszustandes auch zu einer Verringerung der Fatigue.