Gesundheitswesen 2011; 73 - A88
DOI: 10.1055/s-0031-1283399

Präventions- und Schadenspotenzial des geplanten Kaiserschnitts aus der Sicht von Erstgebärenden mit Kaiserschnittwunsch – Eine qualitative Studie

B Baumgärtner 1
  • 1Universität Bielefeld, Bielefeld

Einleitung/Hintergrund: Knapp ein Drittel der Geburten in Deutschland werden mithilfe eines Kaiserschnitts beendet. Über die Hälfte dieser Eingriffe geschieht vor Beginn der eigentlichen Geburt, um einer vermuteten Komplikation zuvorzukommen. Hierzu gehören auch Sectiones, die auf Veranlassung der Frau vorgenommen werden. Obwohl sich bisher nur wenige Frauen ohne geburtshilfliche Notwendigkeit für einen Kaiserschnitt entscheiden, interessieren sich junge Frauen zunehmend für diese Geburtsart. Es stellt sich die Frage, welche Vor- und Nachteile Erstgebärende mit Kaiserschnittwunsch für die eigene Gesundheit und die des Kindes mit der Geburtsart der Sectio antizipieren und welche Bedürfnisse an die Betreuung bestehen. Daten und Methoden: Es wurden 18 qualitative, problemzentrierte Interviews mit Erstgebärenden geführt, die sich anlässlich der bevorstehenden Geburt für eine Sectio entschieden haben. Die Auswertung erfolgte in Anlehnung an die Fallanalyse nach Witzel. Ergebnisse: Die befragten Frauen sehen den Kaiserschnitt als ein Mittel an, den im Fall einer vaginalen Geburt befürchteten Situationen von Kontrollverlust und Entwürdigung und damit einer Beschädigung der psychischen Integrität, aber auch Verletzungen im Genitalbereich zu entgehen. Der Kaiserschnitt wird als vorhersehbare und standardisierte Geburtsmethode ohne langfristige negative Auswirkungen antizipiert. Für das Kind werden sowohl positive wie auch negative Auswirkungen vermutet. Bedürfnisse bestehen vor allem im Hinblick auf die Verwirklichung von Selbstbestimmung und Akzeptanz durch die Professionellen. Diese Ergebnisse erweitern die Ergebnisse bisheriger Studien, nach denen Frauen mit Kaiserschnittwunsch Vorteile vor allem in der Vermeidung von Schmerzen und in der Sicherheit für das Kind sehen. Diskussion/Schlussfolgerungen: Angesichts der mit einer Sectio einhergehenden mütterlichen und kindlichen Risiken sollte für Frauen die Möglichkeit einer Beratung in geschütztem Rahmen gegeben sein, um individuelle Befürchtungen thematisieren zu können, wie auch die Möglichkeit der evidenzbasierten Information zu Vor- und Nachteilen der Geburtsarten. Zudem sollte das Handeln der geburtshilflichen Professionellen mit Blick auf die von Frauen befürchtete Fremdbestimmung transparent und nachvollziehbar gestaltet werden.

Literatur:

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