Gesundheitswesen 2011; 73 - A41
DOI: 10.1055/s-0031-1283445

Konzeptionelle Grundlagen einer patientenorientierten Veränderungsmessung: Das POEM-Konzept

E Farin-Glattacker 1, M Nagl 1
  • 1Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg

Allgemeine Entwicklungen hin zu einer patientenzentrierteren Gesundheitsversorgung haben sich auch auf methodische Forschungsbereiche wie die Veränderungsmessung ausgewirkt und führen zu der Forderung, dass es der individuelle Patient sein sollte, der die Bedeutung seiner gesundheitlichen Veränderung bewertet. Im vorliegenden Beitrag wird eine bestimmte Konzeption der patientenorientierten Veränderungsmessung vorgestellt: das so genannte POEM-Konzept. Das Konzept soll das übliche Vorgehen bei der Bestimmung von Interventionseffekten im Bereich chronischer Krankheiten nicht ersetzen, sondern ergänzen, indem es durch zusätzliche Fragen und Auswertungen Aspekte der Individualisierung und der patientenseitig bestimmten Signifikanzbeurteilung in das Erhebungsdesign einführt. Das POEM-Konzept sieht folgende drei Elemente vor: 1. Die Erfassung der patientenseitigen Gesundheitsbewertungen vor der Intervention, 2. Die Beurteilung der Alltagsrelevanz der erlebten Veränderungen nach der Intervention, 3. Die Auswertung der an den Gesundheitsbewertungen gewichteten Effekte und Alltagsrelevanz-Urteile. Die einzelnen Elemente des POEM-Konzepts wurden in vier empirischen Publikationen methodisch geprüft [1–4], der vorliegende Beitrag erörtert die konzeptionellen Grundlagen des Verfahrens. Dazu werden die Grundidee und die Elemente des Konzepts gegenüber verwandten Konzepten (wie z.B. bestehenden individualisierten Ergebnismaßen oder globalen Veränderungsurteilen) abgegrenzt und empirisch bewährte Operationalisierungen für Gesundheitsbewertungen und Alltagsrelevanz-Urteile vorgestellt. Weder die Grundidee des POEM-Konzepts noch seine Elemente stellen vollkommen neue Konzepte dar. Innovativ scheinen uns aber zwei Aspekte zu sein: a) die integrierte Betrachtung von Gesundheitsbewertungen und patientenseitigen Relevanzbeurteilungen zur Fundierung einer patientenorientierten Veränderungsmessung sowie b) der Bezug der patientenseitigen Relevanzbeurteilung auf das Konzept der Teilhabe welches im Kontext chronischer Krankheiten eine zentrale Rolle spielt. Limitationen des Konzepts bestehen z.B. darin, dass ein empirisch und nicht nur konzeptionell hergeleiteter Nachweis der Überlegenheit des Ansatzes noch aussteht. Weitere Forschungsbemühungen auf dem Gebiet einer patientenorientierten Ergebnismessung sollten sich u.a. mit den Fragen befassen, wie die Stabilität von Patientenpräferenzen zu beurteilen ist und wie mit der teilweise geringen Konvergenz verschiedener Methoden zu Bestimmung von Präferenzen und Relevanz-Urteilen umzugehen ist.

Literatur:

[1] Nagl M, Farin E. (under review). Valuation of health states by patients and physicians' treatment goals in rehabilitation: Agreement or discrepancy? Disability & Rehabilitation. [2] Nagl M, Farin E. (im Druck). Die Entwicklung eines Instruments zur Erfassung der Teilhabe-Relevanz von Rehabilitations-Effekten: Retest-Reliabilität, Kriteriumsvalidität und deskriptive Ergebnisse. Die Rehabilitation. [3] Meder M, Farin E. (im Druck) Gesundheitsbewertungen bei Patienten mit chronisch-ischämischer Herzkrankheit. Die Rehabilitation. [4] Meder M, Farin E. Akzeptanz und Verständlichkeit verschiedener Methoden der Gesundheitsbewertung bei chronisch Kranken: Willingness to pay, visuelle Analogskala und verbale Ratingskala. Gesundheitswesen 2009; 71(11): 751–752 (Langversion: Doi 10.1055/s-0029–1231050).