Gesundheitswesen 2011; 73 - A132
DOI: 10.1055/s-0031-1283471

Häufigkeit und Versorgung der Mittelohrentzündung bei Kindern in Deutschland – Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS)

J Gutsche 1, U Ellert 1, C Poethko-Müller 1, M Schlaud 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

Hintergrund: Die Mittelohrentzündung (Otitis media) ist eine typische Erkrankung des Säuglings- und Kleinkindalters und einer der häufigsten Gründe für die Vorstellung in einer Arztpraxis und für Antibiotikaverordnungen in dieser Altersgruppe. Bevölkerungsbezogene repräsentative Daten für diese meist ambulant behandelte Erkrankung lagen bisher kaum vor. Daten und Methoden: In der bundesweiten KiGGS-Studie (2003–2006) wurden repräsentative gesundheitsbezogene Daten von 0- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen erhoben. In einem Computer assistierten ärztlichen Interview (CAPI) wurden Eltern nach durchgemachten Mittelohrentzündungen und assoziierter Antibiotika-Therapie ihres Kindes gefragt. Daten zu Soziodemografie und Lebensbedingungen wurden über Elternfragebögen erfasst. In die vorliegende Untersuchung wurden nur die 0- bis 6-Jährigen (n=6.543) einbezogen. Die gewichtete Datenanalyse erfolgte mit SPSS-Verfahren für komplexe Stichproben. Dargestellt werden stratifizierte Prävalenzen mit 95%-Konfidenzintervallen (95%-KI) sowie durch logistische Regression ermittelte altersadjustierte Odds Ratios (OR mit 95%-KI) für potentielle Einflussfaktoren. Ergebnisse: Die Lebenszeitprävalenz (LZP) für Mittelohrentzündung beträgt bei 1- bis 3-Jährigen 38% (95%-KI: 35%-40%) und bei 4- bis 6-Jährigen 57% (55%-59%). Mehr als 5 Episoden durchgemacht haben 17% (14%-19%) der 4- bis 6-Jährigen. Die höchsten 12-Monats-Prävalenzen zeigen sich bei 3- und 4-Jährigen mit 30% (26–33%) bzw. 28% (25–32%). In der Altersgruppe der 0- bis 6-Jährigen sind Nicht-Migranten mit 22% (21%-24%) häufiger betroffen als Migranten (17%; 15%-21%). Antibiotika wegen einer Otitis erhielten 74% (71%-77%) der in den letzten 12 Monaten erkrankten Kinder. Die Merkmale „weibliches Geschlecht„, „Migrationshintergrund„, „Wohnregion: Ost„ und „vorschulische Betreuung ausschließlich in der Familie„ sind in dieser Altersgruppe mit einer geringeren LZP für Otitis assoziiert als die jeweils korrespondierenden Gruppen, dagegen zeigt sich für „Geschwister im Haushalt„ und „Stilldauer„ kein Zusammenhang. Diskussion: Mittelohrentzündung ist eine verbreitete Erkrankung des frühen Kindesalters. Gefundene Gruppenunterschiede müssen unter Berücksichtigung möglicher Unterschiede in Inanspruchnahmeverhalten (Arztbesuch) und Diagnosestellung (Untersuchereffekt) betrachtet werden. Der hohe Anteil mit Antibiotika behandelter Kinder ist angesichts aktueller Therapieempfehlungen („watchful waiting„ bei unkomplizierten Verläufen) und möglicher Begünstigung von Resistenzbildung kritisch zu bewerten.

Literatur:

Daly KA, Hoffman HJ, Kvaerner KJ, Kvestad E, Casselbrant ML, Homoe P, Rovers MM (2010) Epidemiology, natural history, and risk factors: Panel report from the Ninth International Research Conference on Otitis Media. International Journal of Pediatric Otorhinolaryngology 74:231–240 Daly KAP, Giebink GSM (2000) Clinical epidemiology of otitis media. Pediatric Infectious Disease Journal 19(5):S31-S36 Haggard M (2010) Poor adherence to antibiotic prescribing guidelines in acute otitis media-obstacles, implications, and possible solutions. Eur J Pediatr