Gesundheitswesen 2011; 73 - A246
DOI: 10.1055/s-0031-1283548

Funktionsstatus der Lendenwirbelsäule bei Anwendern des Trainingsprogramms „Rückengerechter Patiententransfer„ in der Pflege – Ergebnisse eines Langzeit-Follow-ups

M Michaelis 1, G Schedlbauer 2, S Hermann 3, F Liebers 4
  • 1Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS), Freiburg
  • 2Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Hamburg
  • 3Firma Präventiv, Hamburg
  • 4Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Ziele: Ziel der Längsschnittstudie war die kontrollgruppenbasierte Untersuchung von Langzeiteffekten im Rahmen des Trainingsprogramms „Rückengerechter Patiententransfer„ (RPT) in der Pflege. Daten und Methoden: Das orthopädische Langzeit-Follow-up zum Funktionsstatus der Lendenwirbelsäule (LWS) zum Zeitpunkt T2 erfolgte 2008 nach T0 (2000) und T1 (2001) nach Grifka et al. [1] durch eine geschulte Arbeitsmedizinerin. Auffällige Einzelbefunde wurden hierarchisiert (1. lokale LWS- Symptome, 2. Anzeichen für degenerative Veränderungen ohne und 3. mit (pseudo-) radikulärer Beteiligung). Da die ehemalige Kontrollgruppe nach T1 ebenfalls RPT-geschult wurde, wurde neben der Gruppe 1 (Pflegende mit selbst angegebener „konsequenter Anwendung„ der gelernten RPT-Prinzipien, GR1) eine „künstliche„ Kontrollgruppe konstruiert (ohne RPT-Ausbildung oder mit „seltener/mittlerer Anwendungshäufigkeit„, GR2). Als Effektmaß wurden alterskontrollierte Odds ratios (ORs) für das Auftreten einer Diagnosestufe zu T2 berechnet (multinomiales Logitmodells). Ergebnisse: Zwei Drittel der Pflegekräfte (126 von ursprünglich 182) wurden nach acht Jahren noch beim damaligen Arbeitgeber angetroffen und 99 untersucht. Für Follow-up-Analysen waren Daten von nur noch n=64 auswertbar (n=43 GR1, n=21 GR2; Alter (total): 42±8 Jahre). Die Prävalenz auffälliger Befunde in der Gesamtgruppe verdoppelte sich von 8% auf 16% zwischen T0 und T2. Längsschnittliche Gruppeneffekte wurden nicht gefunden (OR(GR2) =0,9, CI (95%)=0,3–2,9). Schlussfolgerungen: Im diesem aus pragmatischen Gründen „künstlich„ konstruierten Kontrollgruppendesign mit überdurchschnittlich „rückengesunden„ Probanden konnten Effekte des Trainingsprogramms nicht identifiziert werden. Auf die Programmqualität selbst sollte angesichts methodischer Einschränkungen jedoch nicht geschlossen werden. Zu diskutieren ist neben dem Design die geringe Stichprobengröße sowie die Sensitivität und (Interrater-)Reliabilität klinischer Untersuchungen generell. Bei arbeitsfähigen Kollektiven scheinen subjektive Angaben für die Ermittlung von Effekten auf die Rückengesundheit besser geeignet zu sein [2,3]. Dies gilt auch für RPT: In einem anderen Kollektiv konnten im Rahmen einer kontrollierten Querschnittsbefragung statistische Effekte nachgewiesen werden. Diese bezogen sich nicht auf allgemeine Beschwerdeangaben, sondern auf differenziertere Zielgrößen (Indikatoren für Schweregrad von LWS-Beschwerden: radikuläre Symptomatik, Aktivitätseinschränkungen [4]).

Literatur:

1. Grifka J, Peters Th, Bär HF (2001): Mehrstufendiagnostik von Muskel-Skelett-Erkrankungen in der arbeitsmedizinischen Praxis. Schriftenreihe der BAuA, Sonderschrift S62, Dortmund. www.baua.de/cae/servlet/contentblob/682540/publicationFile/46952/S62.pdf 2. Palmer K, Smith G, Kellingray S, Cooper C (1999): Repeatability and validity of an upper limb and neck discomfort questionnaire: the utility of the standardized Nordic questionnaire. Occup Med 49, 171–175 3. Descatha A, Roquelaure Y, Chastang JF, Evanoff B, Melchior M, Mariot C, Ha C, Imbernon E, Goldberg M, Leclerc A (2007): Validity of Nordic-style questionnaires in the surveillance of upper-limb work-related musculoskeletal disorders. Scand J Work Environ Health 33(1), 58–65 4. Michaelis M, Hermann S (2010): Evaluation des Pflegekonzepts „Rückengerechter Patiententransfer in der Kranken- und Altenpflege„. Langzeit- Follow-up zur Ermittlung der Nachhaltigkeit präventiver Effekte Schriftenreihe der BAuA, Forschungsbericht F2196, Dortmund. www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2196.html