Gesundheitswesen 2011; 73 - A74
DOI: 10.1055/s-0031-1283566

Pharmakologisches Neuroenhancement – Ergebnisse der KOLIBRI-Studie

S Müters 1, J Höbel 1, R Schilling 1, C Lange 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

In der letzten Zeit ist die Diskussion um die Verwendung von Mitteln zur Beeinflussung der mentalen Leistungsfähigkeit (pharmakologisches Neuroenhancement) stark entfacht worden (Franke & Lieb 2010). Der von der Deutschen Angestellten Krankenkasse im Februar 2009 herausgegebene Gesundheitsreport (DAK 2009) hat unter dem Stichwort „Doping am Arbeitsplatz„ maßgeblich dazu beigetragen. In der KOLIBRI-Studie wurden bevölkerungsrepräsentative Daten zur Verbreitung des Neuroenhancement in Deutschland erhoben sowie Analysen zu möglichen Einflussfaktoren der Verwendung dieser Mittel durchgeführt. Daten und Methoden: Die KOLIBRI-Studie („Konsum leistungsbeeinflussender Mittel in Alltag und Freizeit„) ist eine bevölkerungsbezogene schriftlich-postalische Erhebung, die vom Robert Koch-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit mit Probanden der telefonisch erhobenen GEDA-Studie („Gesundheit in Deutschland aktuell„) aus den Jahren 2009 und 2010 durchgeführt wurde. Sie bildet die deutsche Wohnbevölkerung ab 18 Jahren ab, die über Festnetzanschlüsse erreichbar ist, und umfasst N=6.142 Personen. Die Responserate lag bei 62%. Mittels multivariater logistischer Regressionsmodelle werden Einflussfaktoren auf die Verwendung von Neuroenhancern ermittelt. Ergebnisse: Der Gebrauch von verschreibungspflichtigen Psycho- und Neuropharmaka zum Neuroenhancement ohne medizinische Notwendigkeit ist in der Bevölkerung eher gering verbreitet. Ein erhöhtes Risiko lässt sich für jüngere Altersgruppen (OR 6,1 (95%-KI 2,2–17,1) für 18–29-Jährige im Vergleich zu über 65-Jährigen), für Befragte mit einer hohen zeitlichen Belastung durch die Erwerbstätigkeit von über 40 Stunden pro Woche (OR 1,9 (95%-KI 1,1–3,5, Referenz: 20 bis unter 40 Stunden) und Personen mit schlechter subjektiver Gesundheit (OR 4,1 (95%-KI 1,4–11,8), Referenz: gute subjektive Gesundheit) feststellen. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der KOLIBRI-Studie leisten einen Beitrag zur Einordnung der Verbreitung des pharmakologischen Neuroenhancement, die gerade vor dem Hintergrund der aktuellen regen Diskussion um den missbräuchlichen Einsatz von Neuro- und Psychopharmaka wichtig sind. Bezogen auf die multivariaten Ergebnisse zu Einflussfaktoren lassen sich Risikogruppen für gezielte Maßnahmen der Prävention ableiten.

Literatur:

Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK) (2009) Gesundheitsreport 2009. Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten. Schwerpunktthema Doping am Arbeitsplatz. Eigenverlag, Berlin Hamburg Franke AG & Lieb K (2010) Pharmakologisches Neuroenhancement und „Hirndoping„. Chancen und Risiken. Bundesgesundheitsbl 53: 853–860