Gesundheitswesen 2011; 73 - A20
DOI: 10.1055/s-0031-1283568

SIMuLTaN: Selbstmanagementförderung zur Integration von Medikamentenregimen unter beruflichen Leistungsanforderungen – Entwicklung eines Therapieangebot für die Neurorehabilitation

S Neuhaus 1, A Menzel-Begemann 1
  • 1Universität Bielefeld – Fak. f. Gesundheitswissenschaften, Bielefeld

Hintergrund: Dass Patient(inn)en wieder arbeiten, ist für Leistungs-/Kostenträger wichtiges Behandlungs- und für Betroffene zentrales Teilhabeziel. Insbesondere in der Neurorehabilitation zeigt sich eine für die Reintegration wichtige, hohe Arbeitsmotivation [1], die zur Förderung des Selbstmanagement als personenbezogener Kontextfaktor genutzt werden sollte. Eine mögliche Wiedereingliederungshürde ist die Integration von Medikamentenregimen, die die Betroffenen vor Herausforderungen wie das Akzeptieren der „Krankenrolle„, von (Neben-)Wirkungen oder des Versorgungshandelns stellt. Betroffene entwickeln daher oft problematische Konsummuster, indem weniger [2] oder mehr [3] Medikamente als empfohlen eingenommen werden, wodurch Gesundheitsprobleme und enorme Kosten entstehen [4]. Ursache ist auch, dass Betroffene ihre Versorgungsbedürfnisse nicht angemessen äußern können und diese daher in adhärenz-/selbstmanagementfördernden Interventionen oft nicht hinreichend berücksichtigt werden können [5; 6]. Diese Programme setzen zudem mehrheitlich bei bereits problematischen Konsummustern an, da auch Betroffene häufig erst bei bereits ungünstigem Versorgungshandeln aktiv werden [7]. Meist finden sie dann – wenn überhaupt – erst nach langer Suche passende Angebote [8]. Ziel ist daher die Entwicklung eines zugehenden, bedürfnisorientierten Informations-/Unterstützungsangebotes zur Selbstmanagementförderung bei der Integration von Medikamentenregimen in den (Berufs-)Alltag, das als Patientenschulung in der medizinischen Neurorehabilitation und damit vor der Rückkehr angeboten wird. Methodik: Zunächst werden die Nutzer(innen)bedürfnisse retrospektiv anhand problemzentrierter Interviews mit ehemaligen Rehabilitand(inn)en erhoben. Aus diesen Interviews werden die geäußerten Alltagsschwierigkeiten und Unterstützungswünsche extrahiert und für die inhaltliche Ausgestaltung herangezogen. Die Patientenschulung wird anschließend in einer Interventionsstudie evaluiert. Ergebnisse: Die bis Herbst 2011 vorliegenden Ergebnisse werden berichtet. Dabei wird erwartet, dass sich typische Fallverläufe zeigen, aus denen sich Hindernisse im Umgang mit dem Arzneimittelversorgungssystem und medikamentenbezogene Schwierigkeiten bei der Bewältigung berufsalltäglicher Anforderungen als wichtige Einflussfaktoren auf das Einnahmeverhalten herauskristallisieren. Schlussfolgerungen: Frühzeitig ansetzende Konzepte, die bereits in der Rehabilitation auf besondere Herausforderungen wie ein Medikamentenregime vorbereiten, helfen, Behandlungsempfehlungen umzusetzen sowie Behandlungsergebnisse zu verstetigen. So darf angenommen werden, dass das Unterstützungsangebot Versorgungsdefiziten präventiv begegnen kann und somit einen wichtigen Beitrag zur Teilhabesicherung und Ressourcenschonung bei allen Akteuren leistet.

Literatur:

[1] Schupp, W. & Kulke, H. (2009). Klinik berufsbezogener Gesundheitsstörungen – Neurologie. In: Hillert, A.; Müller-Fahrnow, W. & Radoschewski, F.M. (Hrsg.), Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation – Grundlagen und klinische Praxis (S. 301–315). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. [2] Loss, J.; Thanner, M.; Nagel, E. (2010). Compliance bei chronischen Krankheiten – Zusammenhang zum Gesundheitssystem. Public Health Forum 18 (66): 17.e1–17.e3 [3] Kraus, L.; Augustin R. (2001). Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland. Medikamente. Sucht 47 (Sonderheft 1), S. 44–80. [4] Sachverständigenrat für die Konzentrierte Aktion im Gesundheitswesen (SVR) (2002): Gutachten 2000/2001. Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Addendum: Zur Steigerung von Effizienz und Effektivität der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Baden-Baden: Nomos [5] Richard, C.; Lussier, M.-T. (2006): Nature and frequency of exchanges on medications during primary care en-counters. Patient education and counseling 64 (1–3), S. 207–216. [6] Tarn, D.M.; Paterniti, D.A.; Kravitz, R.L.; Heritage, J.; Liu, H.; Kim, S.; Wenger, N.S. (2008): How much time does it take to prescribe a new medication? Patient education and counseling 72(2), S. 311–319. [7] Koo, M.; Krass, I.; Aslani, P.(2006): Enhancing patient education about medicines: factors influencing reading and seeking of written medicine information. Health expectations 9 (2), S. 174–187. [8] Schaeffer, D. (2006). Bewältigung chronischer Erkrankung. Konsequenzen für die Versorgungsgestaltung und die Pflege. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 39 (3), S. 192–201.