Gesundheitswesen 2011; 73 - A182
DOI: 10.1055/s-0031-1283571

Einflussfaktoren auf die Befindlichkeit knapp ein Jahr nach einem Krankenhaus-Aufenthalt aufgrund einer affektiven Störung

S Neusser 1, T Grobe 2, I Mieth 2, H Dörning 2, E Bitzer 3
  • 1Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG), Witten
  • 2Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG), Hannover
  • 3Pädagogische Hochschule, Freiburg

Hintergrund: In der Behandlung von psychischen Störungen wird u.a. die Schnittstellenproblematik beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung beklagt. Am Beispiel affektiver Störungen wird geprüft, ob und wenn ja, welche Patienten- und Versorgungsmerkmale im Zusammenhang mit der psychischen Befindlichkeit ca. ein Jahr nach einem Index-Aufenthalt eine Rolle spielen. Methodik: Die Analyse beruht auf einer 2010 durchgeführten schriftlichen Befragung von 3.161 GKV-Versicherten nach einem akut-stationären Aufenthalt mit der Hauptentlassungsdiagnose ‘affektive Störung’. Von 1.431 eingegangen Fragebögen (Bruttorücklauf: 45,3%) waren 1.256 auswertbar (Nettorücklauf: 39,7%). Mit dem Erhebungsinstrumentarium wurden Angaben zur ambulanten Weiterbehandlung sowie zur aktuellen psychischen Befindlichkeit (PHQ-9: Patient Health Questionnaire-9) erhoben. Unter gleichzeitiger Einbeziehung mehrerer Variablen wurden Einflussfaktoren auf die psychische Befindlichkeit ca. ein Jahr nach dem Krankenhaus-Aufenthalt eruiert (logistische Regression). Ergebnisse: Die Personen waren im Mittel 50,5 Jahre alt und überwiegend weiblich (76,4%). Ca. ein Jahr nach dem Index-Aufenthalt beträgt die Rehospitalisierungsrate 26,8% und 59,2% der Befragten werden mit dem PHQ-9 als ‘Major Depression’ klassifiziert. Das spiegelt sich auch in der ärztlichen Behandlung wider, die zum Großteil (74,8%) über Fachärzte/Fachärztinnen, insbesondere für Psychiatrie (55,3%), erfolgt und häufig in Kombination mit einer Psychotherapie erbracht wird. In der multivariaten Analyse zeigt sich, dass Personen, die KEINE Kombination aus ärztlicher Behandlung und Psychotherapie erhalten auch in geringerem Maße an einer Major Depression leiden (beispielsweise Facharzt/ärztin für Neurologie/KEINE Psychotherapie OR 0,3 95%-KI 0,2–0,6). Patientenseitige Merkmale, die mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf einhergehen, sind u.a. ein niedriger beruflicher Status (‘Arbeiter/in ungelernt’: OR 2,7 95%-KI 1,4–5,0). Geschlechtsspezifische Einflüsse spielen keine Rolle. Schlussfolgerungen: Bei knapp zwei Drittel der Personen, die im Krankenhaus aufgrund von affektiven Störungen behandelt werden, liegen ein Jahr nach der Entlassung aus dem Index-Aufenthalt Hinweise auf das Vorliegen einer Major Depression vor. Diese Personen erhalten eher eine intensive Versorgung, bestehend aus einer Kombination von fachärztlicher Behandlung und Psychotherapie.