Gesundheitswesen 2011; 73 - A277
DOI: 10.1055/s-0031-1283610

Komorbidität von Neurodermitis und Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Syndrom: Meta-Analyse aktueller populationsbezogener Studien aus Deutschland

J Schmitt 1, M Romanos 2, C Apfelbacher 3
  • 1Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, TU Dresden, Dresden
  • 2Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinik München, München
  • 3Medizinische Soziologie, Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin, Fakultät Medizin, Universität Regensburg, Regensburg

Hintergrund: In den vergangenen Jahren untersuchten wir anhand von vier populationsbezogenen Studien aus Deutschland die Komorbidität zwischen Neurodermitis (Syn: atopisches Ekzem) und Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS). Die epidemiologische Evidenz deutet konsistent auf eine von Umweltexpositionen und weiteren atopischen Komorbiditäten unabhängige Assoziation von Neurodermitis und ADHS hin, wobei insbesondere die frühkindliche Neurodermitis eine Ursache der späteren Manifestation des ADHS zu sein scheint. Methoden: Zur Quantifizierung der relativen und absoluten Bedeutung der Komorbidität von Neurodermitis und ADHS wurden die Daten der epidemiologischen Studien anhand einer Meta-Analyse (random-effects model) zusammengefasst. Es wurden jeweils für Alter, Geschlecht und atopische Komorbidität (allergische Rhinitis/Asthma) adjustierte Odds Ratios (OR) für den Zusammenhang von prävalenter oder früherer Neurodermitis und prävalentem ADHS bzw ADHS-Symptomen der zugrunde liegenden Studien herangezogen. Basierend auf dem gepoolten OR wurde das einer aktuellen oder früheren Neurodermitis attribuierbare ADHS-Risiko berechnet. Ergebnisse: Das gepoolte OR für die Assoziation zwischen Neurodermitis und ADHS (-symptomen) betrug 1,47 (95% Konfidenz-Intervall 1,28–1,67). Das der prävalenten oder früheren Neurodermitis zuschreibbare ADHS-Risiko betrug 10,0% (95% Konfidenz-Intervall 6,6% –14,4%). Schlussfolgerungen: Kinder und Jugendliche mit prävalenter oder früherer Neurodermitis haben ein um etwa 50% erhöhtes Risiko, ADHS-Symptome zu zeigen als Kinder, die niemals Neurodermitis hatten. Unter der Annahme eines kausalen Zusammenhangs zwischen prävalenter oder früherer Neurodermitis und inzidenter ADHS-Symptomatik wären etwa 10% aller ADHS-Fälle durch effektive Neurodermitis-Prävention vermeidbar. Aus diesem Grund sind Untersuchungen zu den der Komorbidität von Neurodermitis und ADHS zugrunde liegenden Mechanismen angezeigt. Darauf aufbauend sollten gezielte präventive Interventionen entwickelt und systematisch evaluiert werden.