Gesundheitswesen 2011; 73 - A298
DOI: 10.1055/s-0031-1283617

Führt das Hausarztmodell zu mehr Gleichheit im Gesundheitssystem? Ein Vergleich der Versorgungssituation von Hausarztmodellteilnehmern und Nichtteilnehmern

S Schnitzer 1, K Balke 2, A Walter 2, A Litschel 2, A Kuhlmey 1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 2Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Berlin

Einleitung/Hintergrund: Mit dem im Jahr 2004 in Kraft getretenen Gesundheitsmodernisierungsgesetz werden gesetzliche Krankenkassen in Deutschland verpflichtet, Modelle der hausarztzentrierten Versorgung (Hausarztmodelle) flächendeckend anzubieten. Hausarztmodellteilnehmer willigen ein, ambulante fachärztliche Leistungen nur nach Überweisung des Hausarztes in Anspruch zu nehmen. Der Hausarzt ist somit zentrale Ansprechperson für die Versicherten und „Lotse„ im Gesundheitssystem. Inwieweit diese Maßnahme die Versorgungssituation verbessert, wird mittels eines Vergleichs von Teilnehmern an Programmen der hausarztzentrierten Versorgung und Nichtteilnehmern analysiert. Daten und Methoden: Grundlage der Analyse bildet eine bevölkerungsrepräsentative Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (2010), in deren Rahmen 5.232 gesetzlich Versicherte im Alter zwischen 18 und 79 Jahren zu gesundheitspolitischen Themen interviewt wurden. Statistische Analysen erfolgten mittels bi- und multivariater Verfahren (logistische Regression). Ergebnisse: Mehr Hausarztmodellteilnehmer als Nichtteilnehmer waren im letzten Jahr beim Arzt. Knapp ein Drittel (31,5%) der Hausarztmodellteilnehmer – und damit deutlich mehr als Nichtteilnehmer (24,5%) – gibt an, häufiger als zweimal beim Facharzt gewesen zu sein. Dabei sind es vor allem ältere Versicherte zwischen 60–79 Jahren, die häufig zum Facharzt überwiesen werden – und zwar unabhängig von ihrem Gesundheitszustand. Betrachtet man nur die Gruppe der Personen, die nicht in Hausarztmodellen eingeschrieben sind, so gehen – neben gesundheitlich belasteten Personen – Versicherte aus Großstädten (OR=1,54), Frauen (OR=1,46) und formal höher Gebildete (OR=1,49)häufig zum Facharzt. Diese Zusammenhänge sind in der Gruppe der Hausarztmodellteilnehmer nicht vorhanden, d.h. hier wird die Wahrscheinlichkeit einer häufigen Facharztinanspruchnahme weder von Bildung, noch von Geschlechtszugehörigkeit oder Gemeindegröße signifikant beeinflusst. Diskussion: Die häufige Facharztinanspruchnahme von Hausarztmodellteilnehmern ist vor allem auf die Facharztbesuche von älteren Versicherten zurückzuführen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass mithilfe der „Lotsenfunktion„ des Hausarztes eine vergleichbare Inanspruchnahme von Fachärzten zwischen den Bildungsgruppen, zwischen Befragten aus Groß- und Kleinstädten und zwischen Frauen und Männern erreicht wird. Insofern scheint das Hausarztmodell zum Abbau von Zugangsbarrieren bzw. von Versorgungsungleichheiten beizutragen.

Literatur:

Schnitzer S, Balke K, Walter A, Litschel A, Kuhlmey A (2011). Führt das Hausarztmodell zu mehr Gleichheit im Gesundheitssystem? Ein Vergleich der Versorgungssituation von Hausarztmodellteilnehmern und Nichtteilnehmern. Bundesgesundheitsblatt (im Druck).