Gesundheitswesen 2011; 73 - A92
DOI: 10.1055/s-0031-1283649

Einstellungswandel zur ärztlichen Sterbehilfe bei Medizinstudierenden in Graz, Österreich

W Stronegger 1, W Freidl 1, É Rásky 1, C Schmölzer 1
  • 1Medizinische Universität Graz, Graz

Einleitung/Hintergrund: Die aktive direkte Sterbehilfe mit dem Ziel, den Sterbeprozess eines Kranken durch dessen Tötung abzukürzen, war in den europäischen Rechtsordnungen bis ins 20. Jahrhundert in der Regel verboten. Seit dem 2. Weltkrieg befindet sich die Einstellung der Bevölkerung zur Zulässigkeit von aktiver Sterbehilfe in den meisten europäischen Staaten in einem deutlichen Wandel. Die Ausführung der Sterbehilfe wird fast ausnahmslos als eine Aufgabe des ärztlichen Berufs gesehen. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, welche Einstellung zur Sterbehilfe angehende Ärzte und Ärztinnen einnehmen. Daten und Methoden: Grazer Studierende der Humanmedizin wurden im Rahmen der „Übungen aus Sozialmedizin„ mittels eines anonymen Fragebogens über ihre Einstellungen zur Sterbehilfe befragt. Durch die Beantwortung des Fragebogens in Präsenz wurde eine Rücklaufquote von über 95% erzielt. Aus drei Erhebungswellen (Jahre 2001, 2003/04 und 2008/09) stehen die Angaben von 757 Medizinstudierenden zur Verfügung. Ergebnisse: Die erhobenen Einstellungen zeigen keine oder nur geringfügige Abhängigkeit von Alter oder Geschlecht der Studierenden, sodass auf eine Alters- oder Geschlechtskorrektur zumeist verzichtet werden konnte. Die Befürwortung der aktiven direkten Sterbehilfe zeigte in der abstrakten Frage eine deutliche Zunahme über die drei Erhebungswellen (16% –29% –50%). In der im Fallbeispiel angeführten Begründung der eigenen Einstellung zeigen sich ebenfalls deutliche Verschiebungen in den drei Wellen. Argumente, die auf Patientenautonomie und Fürsorge Bezug nehmen, werden in der 3. Welle mehr als doppelt so oft angeführt als in der ersten. Diskussion/Schlussfolgerungen: Ethische Überzeugungen und ein ethisch geprägtes ärztliches Rollenverständnis scheinen zugunsten einer höheren Bewertung von ärztlichem Fürsorgeverhalten als auch der Autonomie des Patienten in den Hintergrund zu treten. Die Resultate legen zudem in methodischer Hinsicht nahe, dass moralische Einstellungen nicht mittels einfacher „abstrakter„ Fragen gemessen werden sollten, sondern anhand validierter Skalen, welche z.B. auf ausgewählten Fallbeispielen basieren.

Literatur:

Stronegger, WJ; Schmölzer, C; Rásky, E; Freidl, W. Changing attitudes towards euthanasia among medical students in Austria. J Med Ethics. 2011; 37(4): 227–229.