Gesundheitswesen 2011; 73 - A65
DOI: 10.1055/s-0031-1283670

Die Wahl eines klinischen Geburtsorts – Welche Bedeutung messen Nutzerinnen den Aspekten Sicherheit und Selbstbestimmung bei? Eine qualitative Längsschnittuntersuchung am Beispiel des Hebammenkreißsaals

O von Rahden 1
  • 1Institut für Public Health und Pflegeforschung, Bremen

Hintergrund: Der Hebammenkreißsaal ist ein klinisches Betreuungskonzept, bei dem gesunde Schwangere bzw. Gebärende ausschließlich von Hebammen betreut werden. Mit diesem in Deutschland noch jungen Betreuungsmodell wird eine geburtshilfliche Versorgung angeboten, die sich am Grundverständnis von Hebammenarbeit orientiert und der Medikalisierung der klinischen Geburtshilfe entgegenwirkt. Zudem wird der Tatsache Rechnung getragen, dass 98% der Frauen eine Klinik als Geburtsort wählen. Da der Hebammenkreißsaal in Deutschland ein relativ neues Modell ist, liegen bisher kaum Erkenntnisse vor, in wie weit dieses Konzept die Bedürfnisse der Nutzerinnen trifft. Methodik: Mit einer im Längsschnittdesign angelegten qualitativen Interviewstudie wurden 29 Frauen, die ihre Geburt im Klinikum Reinkenheide Bremerhaven planen, vor und nach der Geburt zu ihren Entscheidungskriterien bei der Wahl des Betreuungsmodells mittels des problemzentrierten Interviews nach Witzel (2000) befragt. Von besonderem Interesse war die Frage, welche Aspekte in Bezug auf Sicherheit entscheidungsrelevant waren und welcher Stellenwert einer selbstbestimmten Geburt zukam. Bei der Befragung nach der Geburt wurde untersucht, inwieweit die während der Schwangerschaft getroffene Wahl weiterhin Bestand hat. Ausgewertet wurden die Interviews computergestützt nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2000). Ergebnisse: Der unterschiedlichen Bewertung des Einsatzes von Medizintechnik und des Stellenwerts einer natürlichen Geburt kam eine zentrale Bedeutung bei der Wahl des Kreißsaalmodells zu. Die Gewichtung von verschiedenen Sicherheitsaspekten spiegelte sich hierin wieder. Selbstbestimmung wurde als bedeutsam eingestuft, obgleich die Nutzerinnen in Bezug auf die Umsetzung unsicher waren. Die Befragung nach der Geburt zeigte drei Aspekte von Selbstbestimmung, die starken Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis hatten. Schlussfolgerungen: Selbstbestimmung unter der Geburt wird zwar von Professionellen wie Nutzerinnen als bedeutsam erkannt, ihre Ausgestaltung ist jedoch in Anbetracht klinischer Rahmenbedingungen, individueller Bedürfnisse und physischer Einschränkungen während der Geburt schwierig. Der Qualität der Hebammenbetreuung kommt hierbei zentrale Bedeutung zu. Zum Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Schwangerer und Hebamme sind Konzepte zu fördern, die Kontinuität ermöglichen und somit den Beziehungsaufbau erleichtern.

Literatur:

Mayring, P. (2000). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Beltz Deutscher Studien Verlag Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research (On-line Journal), 1 (1). Abrufbar über: http://qualitative-research.net/fqs (15.03.2007)