Gesundheitswesen 2012; 74 - A116
DOI: 10.1055/s-0032-1322102

Heilverfahren, Arbeitsunfähigkeit, MdE und Kosten bei distaler Radiusfraktur: Beschreibung und Prädiktion

W Slesina 1, S Guenther 1, S Bohley 1
  • 1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle/Saale

Hintergrund: Distale Radiusfrakturen (DRF) zählen zu den häufigeren Verletzungen der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (WIdO 2011). Die Studie ‚Verrsorgungsstrukturanalyse‘ untersuchte Aspekte der Prozess- und Ergebnisqualität des Heilverfahrens der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) u.a. am Beispiel der distalen Radiusfraktur (Bohley, Slesina 2009). Ein Untersuchungsziel war es, Prädiktoren der Dauer der Heilbehandlung (HB), der Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU), der DRF-bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Verletzten und der Kosten der Heilbehandlung zu berechnen.

Methodik: Es handelte sich um eine Verlaufsstudie auf der Grundlage von Routinedaten der DGUV (Swart, Ihle 2005). Acht regionale Unfallversicherungsträger (Branchen: Bau, Chemie, Metall, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege, öffentlicher Dienst) wurden ausgewählt. Einschlusskriterien für DRF-Verletzte in die Studie waren: Alter 21–65 Jahre, Heilbehandlung im Zeitraum 2006–2008 durchgeführt und abgeschlossen. Als Datenbasis der Analyse dienten die pseudonymisierten Berichte zum Heilverfahren der Betroffenen (durchschnittlich 7 Berichte pro Proband) sowie Angaben der UV-Träger über die Heilbehandlungskosten. Zur Prädiktion der HB-und AU-Dauer, des Grades der MdE und der Heilbehandlungskosten fanden, je nach dem Skalenniveau der Kriteriumsvariablen, multiple lineare oder ordinale Regressionsanalysen Anwendung.

Ergebnisse: Die Stichprobe umfasste 185 DRF-Verletzte, davon 54% Männer und 46% Frauen, Durchschnittsalter 45 Jahre, 71% Arbeitsunfälle und 29% Wegeunfälle. Bei 47,5% der distalen Radiusfrakturen handelte es sich um leichte, bei 29,6% um mittelschwere und bei 26,0% um schwere Verletzungen. Die Dauer des Heilverfahrens betrug durchschnittlich 72,8 Tage und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit im Mittel 65,9 Tage. Bei 49,2% der Verunfallten wurde keine MdE, bei 38,4% eine MdE <20% und bei 12,4% eine MdE >=20% festgestellt (bei letzteren besteht ab der 26. AU-Woche ein möglicher Anspruch auf Verletztenrente). Die Kosten der Heilbehandlung (ambulante, stationäre, physiotherapeutische Versorgung, ohne Fahr- und Transportkosten) beliefen sich insgesamt durchschnittlich auf Euro 2.118. Die multiplen Regressionsanalysen auf der Grundlage von jeweils 16–18 soziodemografischen, berufsbezogenen, verletzungs- und behandlungs-/versorgungsbezogenen Variablen ergaben folgende signifikanten Prädiktoren (p<0,1): für die HB-Dauer: ein höherer Schweregrad der DRF, die Anzahl der den Verunfallten behandelnden Einrichtungen, höheres Alter (26,7% erklärte Varianz durch das Regressionsmodell), für die AU-Dauer: höherer Schweregrad der DRF, Anzahl der behandelnden Einrichtungen, ausschließliche Behandlung in VAV- oder BG-Klinik, Ko-Verletzung der Handwurzel und/oder Ulna (28,6% erklärte Varianz), für den MdE-Grad: höherer DRF-Schweregrad, Geschlecht männlich, höheres Alter, Mitbetroffenheit des Handgelenks, eine oder mehrere unfallunabhängige Erkrankungen (32,8% erklärte Varianz), für die Behandlungskosten: höherer DRF-Schweregrad, Erstbehandlung in einer spezialisierten (VAV) Klinik (46,2% erklärte Varianz).

Diskussion: Stärkster Prädiktor in allen vier Regressionsmodellen war der Schweregrad der DRF. An zweiter Stelle folgten bei der Prädiktion der HB- und der AU-Dauer die Anzahl der den Patienten behandelnden Einrichtungen und z.T. weitere verletzungs- und versorgungsbezogene Variablen. Bei der Prädiktion der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit hatten auch die Variablen Alter (ungünstig: älter) und Geschlecht (ungünstig: männlich) einen signifikanten Einfluss auf den Grad der MdE. Für die Gesamtkosten bildete neben der Verletzungsschwere die Erstbehandlung in einer spezialisierten Klinik einen relevanten Prädiktor. – Eine methodische Begrenzung der Studie liegt in der ausschließlichen Verwendung von Routinedaten der UV-Träger. Mit den für die Analyse verfügbaren Variablen konnte nur ein begrenzter Anteil der Varianz der vier Kriteriumsvariablen aufgeklärt werden, was auf weitere Einflussfaktoren hindeutet.

Literatur:

Bohley S, Slesina W (2009): Heilverfahren der gesetzlichen Unfallversicherung: Versorgungsstrukturanalyse. Trauma Berufskrankh, 11 (Suppl 3). 407–410

Swart E, Ihle P (2005): Routinedaten im Gesundheitswesen. Handbuch Sekundärdatenanalyse. Bern

WIdO (2011): Berechnungen zur Prävalenz der DRF-Fälle, bezogen auf alle AU-Fälle im Jahr 2010