Aktuelle Ernährungsmedizin 2013; 38(S 01): S16-S20
DOI: 10.1055/s-0032-1332819
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Prävention beginnt im Mutterleib

Mechanismen der Perinatalen Programmierung und ihre gesundheitlichen FolgenPrevention Starts in the WombMechanisms of Perinatal Programming and their Health Consequences
A. Plagemann
Charité, Klinik für Geburtsmedizin, Berlin
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Publication Date:
12 March 2013 (online)

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Zusammenfassung

Das Konzept der prä- und neonatalen Programmierung basiert auf der Erkenntnis umweltabhängiger Prägung fundamentaler Lebensprozesse in kritischen Entwicklungsphasen. Relativ gut untersucht ist der Einfluss mütterlich-fetaler Überernährung und damit assoziierte hormonelle Veränderungen beim Feten sowie dessen langfristige Disposition für Übergewicht und Stoffwechselstörungen. Mittlerweile ist in Industrieländern etwa jede dritte Schwangere übergewichtig oder adipös, was zu einer Verdopplung des Makrosomierisikos des Kindes führt. Besteht zusätzlich ein Schwangerschaftsdiabetes, steigt das Risiko auf das 5-Fache. Neben einem erhöhten Risiko für Geburtskomplikationen ist bei makrosomen Neugeborenen im späteren Leben auch das Übergewichtsrisiko verdoppelt. Ursache dieser „Fehlprogrammierung“ sind vermutlich epigenomische Modifikationen im Gehirn. Perinatale Überernährung führt zu einer dauerhaften Aktivierung orexigener zentralnervöser, hypothalamischer Regelkreise bzw. zu einer dauerhaften Supprimierung anorexigener Regelkreise. Dies bewirkt einen dauerhaft erhöhten adipogenen Tonus von Hyperphagie und Übergewicht. Praxisrelevante Konsequenzen dieser Erkenntnisse sind: Generelles Glucoseinoleranz-Screening, Vermeidung von Überernährung in der Schwangerschaft und konsequentes Stillen. Alle drei Faktoren vermögen offenbar, das dauerhafte Übergewichtsrisiko des Kindes signifikant zu senken.

Abstract

The concept of fetal and neonatal programming is based on the observation that the environment shapes fundamental life processes in critical developmental phases. The influence of maternal-fetal overnutrition and associated hormonal changes in the fetus, as well as the fetus’s long-term disposition for overweight and metabolic disorders, have been thoroughly investigated. In industrialized nations, one in three pregnant women is overweight or obese, which doubles the risk of macrosomia in the offspring. If in addition the mother develops gestational diabetes, this risk quintuples. In addition to an increased risk for birth complications, the risk of overweight later in life is also doubled for macrosomic neonates. This faulty programming is probably caused by epigenomic modifications in the brain. Perinatal overnutrition leads to permanent activation of orexigenic central nervous hypothalamic circuits and permanent suppression of anorexigenic circuits. This triggers a permanently raised obesogenic tendency of hyperphagia and overweight. Consequences of these insights that are relevant to clinical practice are general screening for glucose intolerance, avoidance of hyperphagia in pregnancy, and rigorous breast feeding. All three factors seem to be able to significantly lower the child’s permanent risk of overweight.