Gesundheitswesen 2013; 75 - A11
DOI: 10.1055/s-0033-1354006

Modulares Schulungsprogramm für chronische Krankheiten im Kindes- und Jugendalter (ModuS): Konzept und Evaluation

G Ernst 1, K Lang 2, N Gebert 1, R Szczepanski 2
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Kinderhospital Osnabrück, Osnabrück

Hintergrund: Ca. 13% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland haben einen besonderen Versorgungsbedarf aufgrund einer chronischen somatischen Gesundheitsstörung [4]. Um das teils aufwendige Krankheitsmanagement und die Herausforderungen im Alltag zu bewältigen, brauchen sie und ihre Eltern Unterstützung. Diese bieten strukturierte, qualitätsgesicherte Schulungsprogramme, die nicht nur handlungsrelevantes Wissen über die sachgerechte Behandlung vermitteln, sondern die Familien auch in die Lage versetzen, die notwendige Therapie in den Alltag zu integrieren und eine möglichst normale seelische und körperliche Entwicklung der Kinder zu ermöglichen. Derartige, am Empowerment orientierte Schulungen wirken sich positiv auf somatische Parameter, Krankheitsbewältigung, Lebensqualität und soziale Teilhabe aus [1,2]. Für die Mehrzahl der chronischen pädiatrischen Gesundheitsstörungen liegen jedoch keine adäquaten, evaluierten Konzepte vor [3]. Methoden: Auf der Basis qualitätsgesicherter Schulungsprogramme wurde im Expertenkonsens ein modulares Schulungsprogramm (ModuS) entwickelt. Es besteht aus 4 generischen Bausteinen, die für alle Krankheiten gleichermaßen verwendet werden können (Vorbereitung, Gruppenkohäsion, Krankheitsbewältigung, Planung der Zeit danach) und 3 krankheitsspezifischen zu Krankheitsverständnis, Therapie und Notfallmanagement. Für die Diagnose Asthma bronchiale sowie für 7 weniger häufige Indikationen (chronische Darmerkrankungen, Harn-Inkontinenz, Mukoviszidose, Nephrotisches Syndrom, primäre Immundefekte, seltene Stoffwechselstörungen, chronische funktioneller Bauchschmerzen) wurden modulare Schulungscurricula entworfen und bundesweit, multizentrisch erprobt. Begleitend entstanden eine modulare Trainerausbildung und ein modulares Qualitätsmanagementhandbuch. Mit der Evaluation wurde einerseits die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Modularisierung am Beispiel der Asthma-Schulung überprüft (Vergleich der konventionellen Asthmaschulung der AGAS mit der modularisierten Form) und andererseits die Akzeptanz und Effektivität bezogen auf Krankheitswissen, Krankheitsbelastung, Lebensqualität und -zufriedenheit bei den neuen Indikationen. Neben standardisierten, teils validierten Fragebögen wurden leitfadengestützte Fokusgruppeninterviews durchgeführt und nach dem Konzept der zusammenfassenden qualitativen inhaltlichen Analyse ausgewertet. Insgesamt nahmen an der Evaluation 1075 Betroffene zu 3 Messzeitpunkten (vor Schulungsbeginn, am Ende der Schulung und 6 Wochen danach) teil. Ergebnisse: Die Schulungen führten insgesamt zu einer Zunahme der Lebenszufriedenheit, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und des krankheitsspezifischen Wissens. Gleichzeitig nahm die Krankheitsbelastung ab. Der Vergleich der Schulungsmodalitäten zeigte, dass konventionelle Asthmaschulungen und Asthmaschulungen nach ModuS zu vergleichbaren Effekten führten. Auch die Schulungseffekte bei den sieben neuen Indikationen waren mit den Schulungseffekten der modularen Asthmaschulungen vergleichbar. Der Erfolg der Schulungen war unabhängig vom Sozialstatus bzw. einer Migrationsbiografie. In den Fokusgruppeninterviews wurden die Schulungen über alle Indikationen hinweg sehr positiv bewertet. Insbesondere die Professionalität, Individualität und Flexibilität der Schulungen wurde hervorgehoben. Als besonders bedeutsam wurden zudem die psychosozialen Themen und die Umsetzung der Therapie in den familiären Alltag betont. Diskussion: Die Modularisierung hat sich in der Praxis bewährt. Der Entwicklungsprozess für hochwertige, qualitätsgesicherte Schulungen für weniger häufige und seltene chronische Krankheiten ist deutlich vereinfacht. Eine Ausweitung auf andere Indikationen und um zusätzliche Module ist geplant.