Gesundheitswesen 2013; 75 - A100
DOI: 10.1055/s-0033-1354080

Gesundheitliche und soziale Lage in der Flensburg Neustadt

A Sternberg 1, M Jagla 2, P Wihofszky 1
  • 1Universität Flensburg, Flensburg
  • 2Hochschule Magdeburg-Stendal, Magdeburg

Hintergrund: Das Projekt NeustadtGesund, gefördert vom Bund-Länder-Programm Soziale Stadt, ist im Flensburger Stadtteil Neustadt angesiedelt, der als so genannter sozialer Brennpunkt mit einer relativen Häufung von gesundheitlichen und sozialen Problemlagen bekannt ist. Die Kooperationspartner Stadt Flensburg, Universität Flensburg und die vier Krankenkassen AOK Nordwest, Barmer GEK, DAK und TK haben sich zum Ziel gesetzt, gesundheitsförderliche und präventive Aktivitäten im Stadtteil zu einer kommunalen Gesamtstrategie zu vernetzen und durch den Einsatz von Gesundheitsmittlern einen besseren Zugang zu bereits bestehenden Angeboten im Stadtteil zu schaffen. In der Phase der Stadtteilanalyse wurden Sekundär- und Primärdaten für ein datenbasiertes Planen zielgruppenspezifischer Maßnahmen kombiniert. Methode und Stichprobenbeschreibung: In der Sekundärdatenanalyse wurden Daten der Sozial- und Gesundheitsberichterstattung der Stadt Flensburg und Routinedaten der kooperierenden Krankenkassen kleinräumig ausgewertet. Die Erhebung der Primärdaten erfolgte mittels einer standardisierten aufsuchenden Bewohnerbefragung im Stadtteil von August bis November 2012. Die N = 231 befragten Personen waren im Durchschnitt 38 Jahre alt (SD = 16, range 18 – 79), 55% der Befragten waren weiblich. Die Bewohner/innen wurden in unterschiedlichen Situationen im Stadtteil persönlich angesprochen und bei Bedarf beim Ausfüllen bzw. Lesen des Fragebogens unterstützt. Erhoben wurden die gesundheitsbezogene Lebensqualität mit dem SF-12 (Morfeld, Kirchberger & Bullinger, 2011) und die soziale Unterstützung mit der Kurzform des Fragebogens zur sozialen Unterstützung (F-SozU K14 Fydrich, Sommer & Brähler, 2007). Zusätzlich wurden stadtteilbezogene Fragen entwickelt, z.B. „Welche Möglichkeiten oder Angebote im Stadtteil nutzen Sie oder haben Sie für Ihre eigene Gesundheit genutzt?“, „Wie wurden Sie über diese Angebote/Möglichkeiten informiert?“ und „Wünschen Sie sich mehr Information über solche Angebote und Möglichkeiten?“. Ergebnisse: Bezüglich der psychischen Gesundheit (Summenskala des SF 12) wies die Untersuchungsstichprobe im Vergleich zur Norm eine deutlich geringere Lebensqualität auf (Effektstärke Cohens d = 0,92). Differenziert nach Geschlecht fanden sich hinsichtlich der psychischen Summenskala ähnlich starke Effekte (Männer d = 0,70, Frauen d = 1,09). Mittlere Effekte zeigten sich im Gruppenvergleich der F-SozU-Summenskala: Personen mit Schulden haben eine geringere soziale Unterstützung als Personen ohne Schulden (T(195)=-2.847 p = 0,05 d = 0,40) und Personen mit Bezug von Leistungen nach SGB haben eine geringere soziale Unterstützung als Personen ohne Bezug von Leistungen nach SGB (T(171)= 2.847 p = 0,05 d = 0,44). Die Ergebnisse der stadtteilbezogenen Fragen zeigten u.a. einen hohen Bedarf an Informationen zu gesundheitsbezogenen Angeboten im Stadtteil. Außerdem wurde deutlich, dass diese Informationen häufig über persönliche Kontakte ausgetauscht wurden. Schlussfolgerungen: Im Flensburger Stadtteil Neustadt, einem so genannten sozialen Brennpunkt, ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität, insbesondere die psychische Lebensqualität, deutlich geringer als die der Normstichprobe. Diese Ergebnisse stimmen mit den Auswertungen der Sekundärdatenanalyse überein. Ebenfalls hypothesenkonform sind die Ergebnisse der Mittelwertvergleiche des F-SozU die Effektstärken liegen hier in einem mittleren Bereich. In Kombination mit den Ergebnissen der stadtteilbezogenen Fragen wird der Vernetzungsbedarf bestehender Angebote deutlich und es können datenbasierte Ansätze für den Einsatz von Gesundheitsmittler/innen im Stadtteil abgeleitet werden.